Die rätselhafte Wirtschaft der Bezirke

Finanzsenator Sarrazin geht mit Folien gegen Begehrlichkeiten an den Haushalt 2008/9 vor

Zu Beginn der Haushaltsberatungen 2008/9 mehren sich die Begehrlichkeiten von vielen Seiten. Die vom Senat verkündete leichte Verbesserung der Finanzlage Berlins tut ein Übriges. Der wachsenden Versuchung in den Bezirksämtern stellt Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) nun nicht weniger als 33 Folien entgegen. Die zwölf Bezirke erhalten sogenannte Globalsummen vom Senat. Mit diesen Zuweisungen plus eigenen Einnahmen – 2008/9 insgesamt 5,8 Milliarden Euro – können sie selbstständig wirtschaften. Doch die – politisch gewollte – Freiheit beim Geldverteilen hat ihre Grenzen, wo gesetzlich zwingende Ausgaben geboten sind, etwa für Sozialhilfe, Wohngeld, Hilfen zur Erziehung, Grundsicherung im Alter. Gerade diese Aufwendungen sind seit Hartz IV enorm gestiegen, weshalb laut Sarrazin den Bezirken 2008/9 insgesamt 322 Millionen Euro mehr als bisher zugewiesen werden. Auch für Personal gibt es mehr Geld: 25 Millionen Euro. Zusätzliche Leute müssen die Bezirksämter aber aus der öffentlichen Verwaltung »umschichten« oder aus dem Überhang holen. »Von außen« kommt Personal, etwa spezielle Fachleute, nur durch Sarrazins Genehmigung. Die erteilt er bis zu 200-mal im Jahr für ganz Berlin. Obwohl alle Bezirke finanziell gleichgestellt sind, wirtschaften sie höchst unterschiedlich. Nach Sarrazins Folien schlossen sie das Jahr 2006 insgesamt mit einem Minus von 25,7 Millionen Euro ab, daran hat allein Lichtenberg einen Anteil von 16,7 Millionen. Da die Bezirke ihr Plus und Minus über die Jahre mitnehmen können, sieht das kumulierte Ergebnis Ende 2006 etwas anders aus. Insgesamt ist da ein Minus von 29,2 Millionen Euro aufgelaufen. Aber allein Marzahn-Hellersdorf trägt ein Minus von 34,3 Millionen Euro weiter, Pankow 30,2 Millionen, und Lichtenberg liegt mit 9,6 Millionen eher im Mittelfeld. Auf das größte Plus von 17,5 Millionen Euro, weil nicht ausgegeben, kommt Charlottenburg-Wilmersdorf, gefolgt von Treptow-Köpenick mit 13,4 Millionen. Selbst das sonst arme Friedrichshain-Kreuzberg hat da ein Plus von 2,6 Millionen. Dabei haben alle Bezirke auch Rücklagen. Laut Sarrazins Folien waren es Ende März 2007 insgesamt 55,87 Millionen Euro. Es überrascht wieder, dass Friedrichshain-Kreuzberg knapp 5500 Euro weniger als Steglitz-Zehlendorf hatte und über immerhin 11,51 Millionen Euro auf dem Konto verfügte. Am »ärmsten dran« war Spandau mit 141 000 Euro. Wie unterschiedlich die Bezirke ihre Personalressourcen verteilen, belegt Sarrazin mit Zahlen aus dem laufenden Jahr. Im Bereich Gesundheit leistet sich Mitte 270 Stellen, Spandau 102, für das Bezirksamt sind in Charlottenburg-Wilmersdorf 471, in Reinickendorf 224 Stellen eingeplant, für Bürgerdienste in Charlottenburg-Wilmersdorf 215, in Treptow-Köpenick 118 Stellen. 15,1 Prozent ihres Personals haben die Bezirke seit 2002 abgegeben, 18,5 Prozent die Hauptverwaltungen, fast 10 000 Mitarbeiter insgesamt. 110 000 sind noch in Bezirks- und Hauptverwaltungen tätig. Noch einmal 11 000 Vollzeitstellen weniger sollen es nach Sarrazins Vorstellungen im Jahr 2012 sein. Vor allem in den Bezirken sieht der Finanzsenator ein »Optimierungspotenzial« von durchschnittlich 33 Prozent. Zu den »Ungereimtheiten« zählt der Senator, dass mit Einführung von Hartz IV Anfang 2005 die Zahl der Sozialhilfeempfänger zwar von 234 000 auf 10 500 sank, jedoch die Kosten für die Betreuung eines Sozialhilfeempfängers pro Jahr von 430 auf 2317 Euro stieg – weil die »Kunden« weitergereicht wurden, nicht aber alle Mitarbeiter. Aus dem gleichen Anlass stiegen die durchschnittlichen Kosten für die Bearb...

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