Flottenprogramm für die Weltmeere

Die Deutsche Marine schafft mit neuartigen Schiffen Fakten in der Außenpolitik

  • Hermannus Pfeiffer, Hamburg
  • Lesedauer: 4 Min.
Die neuen Kriegsschiffe der Marine erden auch weltweit vor jeder Küste aufkreuzen. Und ihre gerade in Auftrag gegebenen Nachfolger werden die teuersten Waffensysteme in der deutschen Geschichte.

Nationalhymne und dreifaches »Hurra!« der 300 Ehrengäste: Die Taufe der Korvette »Oldenburg« im Dock der hamburgischen Traditionswerft Blohm & Voss klingt stimmungsvoll aus – und sendet ein klares Signal an die deutsche Außenpolitik. Bis Ende 2008 werden unter Führung von ThyssenKrupp – die Werft Blohm & Voss ist eine Tochter des Stahlkonzerns – fünf neuartige Korvetten der Klasse K 130 vom Stapel gelaufen sein. Die wendigen – laut Marinejargon – »Boote« haben es in sich: Sie haben Tarnkappeneigenschaften, sind also für Radar- und Infrarotschirme schwerer zu erkennen. Darüber hinaus wurden sie nicht mehr für die flache Ostsee geplant, sondern für weltweite Kampfeinsätze. Und erstmals seit 1945 kann die deutsche Marine wieder massiv Landziele von See aus beschießen. Die K 130 werden »zur präzisen Bekämpfung von Landzielen befähigt sein«, macht die Marine kein Geheimnis aus den neuen Möglichkeiten – mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung lebt an einer Küste, acht von zehn der größten Städte liegen am Meer.

Mit den Hochtechnologie-Korvetten beginnt die »Neuausrichtung der Deutschen Marine«, wie Marine-Inspekteur Wolfgang Nolting es nennt: von einer in engen Grenzen operierenden Küstenverteidigung zu einer global ausgerichteten Marine mit nahezu unbegrenztem Horizont auf allen sieben Weltmeeren. Fast noch erstaunlicher ist der Preis für 90 Meter geballte Kampfkraft: 250 Millionen Euro pro Stück und ohne Waffen.

Werden hier also noch markiger als bei der Transformation von Heer und Luftwaffe bewusst Fakten geschaffen für die künftige deutsche Außenpolitik? Anders als viele Sicherheitspolitiker in Berlin kämpft die Chefetage der Marine mit offenem Visier. Mit der Weiterentwicklung würden zwei Leitlinien verfolgt, heißt es aus dem Flottenkommando in Glücksburg bei Hamburg. Erstens werde die internationale Krisenbewältigung zukünftig noch stärker auf gemeinsame Aktionen von Heer, Luftwaffe und Marine setzen, und dabei soll die frei von Landesgrenzen operierende Marine eine Schlüsselrolle spielen. Deren Spitze arbeitet gemeinsam mit den Landratten vom Heer bereits hinter verschlossenen Türen an dem Vorhaben »Führen von See«. Zudem, so Admiral Nolting, wird die Marine ihre Fähigkeiten ausbauen, »Kräfte an Land von See aus zu unterstützen«. Dazu werden die neuen Kriegsschiffe mit Schiffskanonen, schwedischen Allwetter-Flugkörpern vom Typ RBS 15 MK3 und Hubschraubern ausgestattet. Den zweiten Schwerpunkt sieht die Marine künftig im Schutz der globalen Handelswege. Als außenhandels- und rohstoffabhängige Nation hänge Deutschland in einer »maritimen Abhängigkeit« fest, betont Nolting.

Mit der angestrebten Neuausrichtung könnte die Marine erstmals seit dem kaiserlichen Flottenprogramm vor einem Jahrhundert wieder ins Zentrum der Militärstrategie rücken. Seefahrt tut mal wieder not. Die neuen militärischen Möglichkeiten werden neue Begehrlichkeiten bei Politikern und NATO-Partnern wecken, befürchtet Otfried Nassauer: »Das Kreuzen vor fremden Küsten könnte zur Standardaufgabe der Bundeswehr werden.« Ironisch fügt der Direktor des Berliner Informationszentrums für Transatlantische Sicherheit hinzu, »es könnte jemand auf die Idee kommen, verstärkt Rohstofflieferungen ›abzusichern‹«. Nassauer schätzt, dass jedes Barrel Öl weltweit mindestens 20 Dollar Militär-Kosten erzeugt.

Dafür könnten auch die Marathon-Fregatten dienen, die eine übergroße Koalition aus CDU/CSU, SPD und FDP im Haushaltsausschuss pünktlich zur Sommerpause und öffentlich kaum bemerkt bei ThyssenKrupp in Auftrag gegeben hat. Das teuerste Kriegsgerät der deutschen Militärgeschichte kostet 650 Millionen Euro pro Stück plus X, denn der Preis darf jährlich um bis zu drei Prozent klettern.

Die 150 Meter lange Wunderwaffe mit dem Kürzel F 125 kann ebenfalls Landziele bekämpfen und mit einem Einsatzgruppenversorger – der dritte ist in Auftrag – zwei Jahre lang auf allen Weltmeeren operieren. Dagegen müssen die derzeit vor der Küste Libanons im Rahmen der UNIFIL-Mission schwimmenden Fregatten bereits nach zwei, drei Monaten reparaturbedürftig wieder die Heimreise antreten.

Für Deutschland könnten Korvetten und vor allem die Großkampfschiffe F 125 Leuchttürme für die künftige Sicherheits- und Außenpolitik werden. Draußen vor dem Tor von Blohm & Voss verlieren sich an diesem regnerischen Tag trotzdem nur einige wenige Friedensbewegte.


Fass ohne Boden

Bereits im Jahr 2003 kritisierte der Bundesrechnungshof die Bestellung von 285 Torpedos für über 300 Millionen Euro, die zur U-Boot-Bekämpfung gedacht waren. Diese sollten von 2001 bis 2011 geliefert werden. Kurz nach Vertragsabschluss entschied das Verteidigungsministerium, wegen einer veränderten Marinestrategie nur noch die Hälfte der Fregatten der Klassen 123 und 124 mit den neuen Waffen auszurüsten und wieder verstärkt auf alte zu setzen. »Viele neue Torpedos lagern daher jahrelang nutzlos in Depots«, kritisierte der Rechnungshof 2006 und forderte, andere Einsatzmöglichkeiten zu prüfen. hape

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