nd-aktuell.de / 02.11.2007 / Politik / Seite 1

Bis zum Kleiderhaken – alles EADS

Europas Rüstungskonzern hat Militärs und Abgeordnete im Griff – auch gegen Völkerrecht

René Heilig
Regelmäßig müssen die Haushälter des Bundestags die Bestellungslisten der Militärs absegnen. Man darf bezweifeln, dass dies mit dem nötigen Sachverstand geschieht. Dabei geht sogar vieles an den Abgeordneten vorbei. Ganz legal.

Von Laschen bis Laserwaffen – der führende europäische Luft-, Raumfahrt- und Rüstungskonzern EADS, der seit Monaten wegen der Airbus-Pleite in Verruf ist, liefert alles, was die Bundeswehr braucht. Doch viele Aufträge gehen glatt an den gewählten Ausgabenkontrolleuren vorbei. Erst ab 25 Millionen Euro muss der Haushaltsausschuss informiert werden. Weshalb Bestellungen und Aufträge für Studien gesplittet werden. Rund 3,65 Milliarden Euro sind jene »kleinvolumigen« Aufträge wert, die seit 2000 an den Konzern gingen. Dazu kommen über 13 Millionen Euro, die man als Anteil an multinationalen Projekten wie die Hubschrauber Tiger und NH90 oder den Eurofighter ausgab. Selbstverständlich ist die Liste für die nächsten 30 Jahre geheim. Sie liegt ND – wie offenbar auch Kollegen vom »Stern« – dennoch vor.

Enthalten sind allerlei Komponenten für geheime Waffensysteme. Beispielsweise erhielt EADS 2004 von der Bundeswehr 800 000 Euro, um den Nutzen von Laserwaffen zu erforschen. Auch gab es Geld für die Entwicklung neuer Bombenarten. Das deutsche Militär hat Interesse an thermobarischen Gefechtsköpfen. Gegen den Einsatz solcher Bomben durch die USA und die Entwicklung ähnlicher Waffen in Russland protestieren Mediziner wie Menschenrechtsorganisationen, denn sie verstoßen gegen das Kriegsvölkerrecht. Dennoch wurden der EADS-Tochter TDW für eine dementsprechende Studie 340 000 Euro überwiesen. Nach dem Motto »Kleinvieh macht auch Mist« stehen in der Liste zugleich Bestellungen über Handtuchspender (15 651 Euro) und Kleiderhaken (2556 Euro – siehe Faksimile).

Doch Bundeswehr und EADS fühlen sich zu Höherem berufen. Weshalb man nicht nur ein Satelliten-System namens SAR-Lupe fertigen lässt, sondern auch weitergehende Studien zur militärischen Nutzung des Weltraums anstellt. In der Regel millionenschwere Projekte werden lediglich mit Chiffren aufgelistet. Aber es gibt Hinweise für deren Verwendung. Beliefert werden Fernspähkompanien wie KSK-Truppen – beides Eliten im Auslandseinsätzen.

Für die ist der Eurofighter noch nicht fit genug. Zum Leidwesen der Militärs. 180 Stück hat Deutschland bestellt, doch die bisher in die Truppe gebrachten Maschinen der ersten Tranche sind lediglich für »Ausbildung«, »luftgestützte Luftverteidigung« und »Sicherheit im Luftraum« zu gebrauchen. Entsprechend der aus Konzernsicht weit blickenden Vertragsvereinbarung zahlt der Steuerzahler jährlich Millionen zur Beseitigung von »Obsoleszenz« – also die Nachrüstung unbrauchbaren oder unzweckmäßigen Militärgeräts. Das trifft auch auf den Eurofighter zu. Während Großbritannien deshalb bereits über den Weiterverkauf eigener Fighter nach Saudi-Arabien verhandelt, behauptet die Bundesregierung mit Verweis auf das Weißbuch, dass der mit einer Auftragsreduzierung verbundene »Fähigkeitsverlust« der Bundeswehr »nicht hinnehmbar« sei.


Foto: Der Eurofighter, gebaut von Deutschland, Großbritannien, Italien und Spanien.

Während Großbritannien und Italien bereits bei EADS angefragt haben, was eine Reduzierung der dritten Tranche kosten würde, beharrt Deutschland darauf, alle bestellten Maschinen abzunehmen. Selbst wenn diese für ihren eigentlichen Zweck nicht brauchbar sind.

EADS sitzt vertraglich am längeren Hebel. Für den Verzicht oder Teilverzicht auf die dritte Tranche sehen Regierungsvereinbarungen vor, dass die reduzierende Nation Mehrkosten der Partnernationen zu tragen hat, erklärte die Bundesregierung auf eine Anfrage der FDP.
Foto: AFP