›Prekarianerin‹ verschollen im Pazifik

Ades Zabel geht in der Berliner Kabarett Anstalt bei der Reise in die Stadt der Mode derb vor

  • Anouk Meyer
  • Lesedauer: 3 Min.

Einen Hang zum derben, abwegigen Witz braucht man schon, um sich bei den skurrilen Bühnenauftritten von Ades Zabel und seiner Truppe im BKA Theater (Berliner Kabarett Anstalt) so richtig zu amüsieren. Wer sich von Fäkalhumor und Trash nicht abschrecken lässt, wird auch den dritten Teil der Saga um die Neuköllnerin Edith Schröder und ihre zwei Freundinnen mögen.

In »ViP – Verschollen im Pazifik« verlässt das Damentrio den heimatlichen Bezirk, um in Paris Karl Lagerfeld zu treffen. Dumm nur, dass auf dem Rückflug der Billigflieger abstürzt. Wie schon in den ersten beiden Teilen, dient die absurde Story als Vehikel für witzige Dialoge in breitem Berlinisch, Alltagskomik und jede Menge Gesangs- und Tanzeinlagen.

Die Mischung aus Travestie-show, Comedy und Musical setzt auch diesmal wieder auf die drei Hauptdarsteller Ades Zabel, Biggy van Blond und Bob Schneider sowie auf ihre Verstärkung Stefan Kuschner und Lars Schwuchow.

Schneider spielt die Wirtin Jutta Hartmann, die beim Sender Rollberg-TV eine Reise nach Paris gewinnt. Alleine fahren ist nicht, obwohl die elegante Jutta eher gereizt auf die Aussicht reagiert, mit der ganz im Leoparden-Look gekleideten Biggi und dem »pinkfarbenen Geschoss« Edith in die Stadt der Mode zu fahren.

Dort kommt es noch schlimmer, als befürchtet. Karl Lagerfeld ist entzückt über Ediths rosafarbenen »Streetwear«-Aufzug und ernennt sie zu seiner Muse. Nicht einmal mit einem feurigen Liebesschlager kann Jutta ihn für sich gewinnen. Nichts wie weg, beschließt die frustrierte Wirtin, und bucht für vier Euro den Rückflug mit einer osteuropäischen Fluglinie, die leider einen kleinen Umweg nimmt. Als die Maschine überm Pazifik abstürzt, fangen die Probleme erst richtig an. Die alberne Geschichte bietet jede Menge Möglichkeiten für einen regen Schlagabtausch zwischen den drei Damen, für komische Szenen und bissige Bemerkungen.

Am besten sind die drei, wenn sie typische Klischees entlarven, von der »Geiz ist geil«-Mentalität bis zur »Mauer in den Köpfen«. »Ick war jestern in dem neuen Einkaufszentrum, dem Alexa«, erzählt zum Beispiel Biggis Mutter, worauf die Tochter erstaunt die Augen aufreißt: »Im Osten?« Wie charmant man kleine Pannen weg improvisieren kann, zeigt Stefan Kuschner als Pariser Hotelwirtin im Mireille Mathieu-Stil: »Leider isch abe mein Mikro vergessen«, säuselt er und entschwindet. Äußerst komisch ist Kuschner auch als Designikone Lagerfeld, der mit Sonnenbrille, Fächer und weißer Perücke hochmütig die Invasion aus Neukölln mustert. »Weg, weg, weg, meine Inspiration leidet!« schnarrt er, um dann im typisch näselnden Lagerfeld-Stakkato seinen Assistenten niederzumachen. Leider ist nicht die ganze Show so witzig und unterhaltsam geraten. Es gibt etliche Längen, peinliche Songs wie »Wasserklo« zur Melodie von Abbas »Waterloo« und einige Ekelszenen, auf die man hätte verzichten können. Zu oft geht es um Toilettengänge.

Am besten sind Zabel und Konsorten eindeutig doch in ihrem gewohnten Neuköllner Milieu, wenn es um Hartz IV, Futschis und »Prekarianerinnen« geht. Insofern ist der Ausflug in die weite Welt nicht die beste Schröder-Show geworden.

Bis 25. November, 2.-13. Januar Mi., Fr., Sa., So. 20 Uhr; BKA Theater, Mehringdamm 34, Kreuzberg, Tel. 202 20 07

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