Uribe bietet »Gesprächszone« an

Neue Chance für Gefangenenaustausch in Kolumbien

  • Tommy Ramm, Bogotá
  • Lesedauer: 3 Min.
Nachdem Venezuelas Präsident Chávez und die französische Regierung immer mehr ins Zentrum bei den Verhandlungen um eine Geiselfreilassung in Kolumbien rückten, scheint Präsident Uribe das Zepter wieder in die Hand nehmen zu wollen. Völlig überraschend bot er am Freitag der FARC-Guerilla direkte Gespräche an – zum zweiten Mal in seiner Amtszeit.

Nach der im November gescheiterten Vermittlung des venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez für einen Gefangenenaustausch zwischen der kolumbianischen Regierung und der linken FARC-Guerilla stand die Uribe-Regierung international in der Kritik. Als nach dem abrupten Abbruch durch Bogota Ende November Videos auftauchten, die 16 Entführte in den Händen der FARC-Guerilla zeigten – unter ihnen die französisch-kolumbianische Politikerin Ingrid Betancourt –, wuchs der Druck noch. Am Freitag nun erklärte Präsident Uribe überraschend, dass er bereit sei, eine »Gesprächszone« zu schaffen. Diese solle maximal 150 Quadratkilometer umfassen und auf 30 Tage begrenzt sein, in denen die FARC-Guerilla, der kolumbianische Hochkommissar für Frieden, Luis Carlos Restrepo, und Kirchenvertreter den Gefangenenaustausch unter internationaler Beobachtung besiegeln.

Während die Regierung auf die Befreiung von 47 Geiseln in der Gewalt der Guerilla setzt, erwartet die FARC die Freilassung von bis zu 500 inhaftierten Rebellen. Allerdings bot Uribe die Zone mit Einschränkungen an. Weder dürfe sie größere Siedlungen umfassen noch bewaffnet von beiden Seiten betreten werden. Zudem solle die Zone in einem ländlichen Gebiet liegen, die einen Abzug von Armee- und Polizeikräften unnötig macht. Damit unterscheidet sich das Angebot Uribes kaum von dem aus dem Jahr 2005. Damals war die Zone sogar etwas größer und sollte unter internationaler Aufsicht der Schweiz, Spaniens und Frankreichs stehen.

Die Guerilla lehnte den Vorschlag ab. Bis heute fordert sie die Entmilitarisierung zweier Bezirke im Südwesten des Landes, was die Regierung wiederum vehement ablehnt. Allerdings könnte die FARC nun den Ort für die Gesprächszone festlegen. »Vielleicht akzeptieren sie das Angebot, weil sie sich die Zone aussuchen können«, erklärte mit verhaltenem Optimismus die Mutter von Ingrid Betancourt, Yolanda Pulecio. Pessimistischer zeigte sich dagegen Betancourts Ehemann, Juan Carlos Lecompte: »Uribe versucht, alles beim Status quo zu belassen, ohne zu merken, dass es die Geiseln nicht länger aushalten und langsam sterben.«

Zwar gilt die Ankündigung einer »Gesprächszone« als Durchbruch in der bisher sturen Haltung der Regierung gegenüber Gesprächen auf kolumbianischen Territorium. Allerdings ist nach wie vor unklar, ob die FARC das Angebot annimmt. Der Analyst Leon Valencia glaubt, dass die vielen internationalen Botschaften an die Adresse der Guerilla Wirkung zeigen. Tatsächlich gab es in den letzten Wochen einen regelrechten Wettlauf um die Geiselfreilassung. Mitte letzter Woche sandte Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy eine Videobotschaft und einen Brief an FARC-Chef Manuel Marulanda und forderte die Freilassung der Entführten. Zudem sensibilisierte er die europäischen Partner, um Unterstützung zu gewinnen. Die EU – allen voran Italiens Ministerpräsident Romani Prodi – erklärte sich solidarisch mit den französischen Bemühungen. Die scheinen auf Hochtouren zu laufen. Pariser Gesandte sollen bereits direkten Kontakt mit der FARC aufgenommen haben.

Doch auch Chávez, der seit zwei Wochen mit Uribe im Clinch liegt, bastelt gemeinsam mit der kolumbianischen Senatorin Piedad Cordoba an einer alternativen und nicht offiziellen Strategie, um eine baldige Freilassung zu erreichen. Eine diplomatische Offensive auf dem Subkontinent soll die Regierungen Südamerikas zur Unterstützung des Gefangenenaustauschs bewegen. »Für diesen«, so Cordoba , »lässt Chávez seine Differenzen mit Uribe beiseite.« Sie ist sich sicher, dass die FARC die Entführten nur an Chávez übergeben wird. Vielleicht liegt hier auch die Ursache des plötzliche Sinneswandels von Uribe, der um keinen Preis sehen möchte, dass Chávez den Erfolg einstreicht.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal