BKA mutiert zu Horch und Guck

»Großer Lauschangriff« soll durch Videoüberwachung von Wohnungen ergänzt werden

  • Lesedauer: 2 Min.
Der »große Lauschangriff« soll durch einen »großen Spähangriff« gesetzlich ergänzt werden. Die Spitzen von Bundeskriminalamt (BKA) und Landeskriminalämtern fordern laut »Spiegel« in einem vertraulichen Bericht zur Terrorabwehr jetzt auch die Videoüberwachung von Wohnungen.

Berlin (Agenturen/ND). Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat vor dem Hintergrund des BKA-Berichts neue Mittel zur Terrorabwehr grundsätzlich befürwortet. In einem Interview des »Spiegel« sagte er: »Bei den möglichen Bedrohungen durch den internationalen Terrorismus reichen die klassischen Mittel der Strafverfolgung nicht mehr in allen Situationen aus.«

Zur Begründung für den Vorstoß der Kriminalämter wird laut »Spiegel« auf die Festnahme mehrerer islamistischer Terrorismusverdächtiger im Spätsommer im Sauerland verwiesen. Zwar sei ein vom mutmaßlichen Terroristen Fritz G. angemietetes Haus im Sauerland verwanzt gewesen, aber aufgrund »schwer verständlicher Kommunikation« sei das Geschehen im Ferienhaus »zeitweise unklar« gewesen. Die Ermittler plädierten demnach für eine Grundgesetzänderung, um eine »verdeckte Durchsuchung inklusive verdeckter Videografie« von verdächtigen Wohnungen zu erlauben. In den Polizeigesetzen der Länder solle außerdem einheitlich geregelt werden, dass Beamte bereits dann präventiv Telefonate abhören können, wenn der Betroffene noch gar kein Beschuldigter ist. Ausbauen wollen die Fahnder dem Bericht zufolge auch die Beobachtung von Internetcafés. Es gebe »einen wesentlich höheren Bedarf an Überwachungstechnik für breitbandige Call-Shops«, heißt es demnach in dem BKA-Bericht.

Der Innenexperte der FDP-Bundestagsfraktion, Max Stadler, kritisierte die Äußerung von Schäuble am Sonntag scharf. Bei einer Abkehr von den klassischen Mitteln des Rechtsstaates würde sich Deutschland auf einen »gefährlichen Weg« begeben, erklärte er. In Anspielung auf das US-Gefangenenlager Guantanamo sagte Stadler, Schäuble nähere sich mit seinen Aussagen »in bedenklicher Weise der Lehre vom ›Feindstraf- recht‹, wonach Verfahrensrechte für Verdächtige in bestimmten Situationen nicht mehr gelten sollen«. Linksfraktionsvize Petra Pau erklärte: »Wieder startet das BKA eine Attacke gegen das Grundgesetz.« Das BKA sei unersättlich. Im Kern gehe es darum, »Grund- und Bürgerrechte einzuschränken oder zu umgehen«.

Dem Magazin »Focus« zufolge haben die deutschen Geheimdienste 2006 mehr als 460 000 Telefonate, Briefe oder Faxe erfasst. Das seien 25-mal mehr als im Jahr 2004, berichtet das Magazin und beruft sich dabei auf einen Bericht des Parlamentarischen Kontrollgremiums für die Geheimdienste.

Über zusätzliche Kompetenzen für das BKA sind sich die Innenminister von Bund und Ländern grundsätzlich einig. »Wir brauchen ein neues BKA-Gesetz«, hatte Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) auf der Innenministerkonferenz am Freitag in Berlin gesagt. Ein Entwurf Schäubles sieht vor, dass das BKA künftig für präventive Ermittlungen zuständig sein soll, wenn etwa vom Ausland eine Terrorgefahr droht. Die Union will zudem die Online-Durchsuchungen von Computern Terrorverdächtigter einführen.

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