nd-aktuell.de / 27.12.2007 / Berlin / Seite 24

Türmchen am Tisch der Kaiserin Augusta

Berliner Holzbildhauer Damian Valles Castro schnitzt Teile, die ins Schloss Babelsberg gehören

Andreas Fritsche

Ratsch, ratsch – hobelt der Holzbildhauer-Meister Damian Valles Castro Späne aus einer Platte. In seiner kleinen Werkstatt in Berlin-Pankow arbeitet er an einem Relief für den Tresen einer Moskauer Edelboutique. Erstaunlich schnell heben sich die langen Haare einer nackten Frau wellenförmig vom Untergrund ab. »Das ist ganz weiches Lindenholz«, erklärt Valles Castro. So kommt es, dass sich der 40-jährige Spanier an dem Relief fast ein wenig entspannen kann von der Mühe, die er derzeit mit einem anderen Auftragswerk hat. Da verwendet er hartes Ebenholz. »Wenn ich das den ganzen Tag mache, muss ich mich abends massieren lassen.«

Valles Castro schnitzt kleine Türmchen, die als Verzierungen an einen Aufsatztisch gehören, den Kaiserin Augusta einst im Potsdamer Schloss Babelsberg benutzte. Die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten restauriert diesen Tisch und benötigt die Türmchen als Ergänzung für fehlende Teile. 19 Stück will Valles Castro in einem halben Jahr fertig haben. Die grobe Form hat er schon geschnitzt. Nun beginnt die Feinarbeit. Hier ist äußerste Präzision gefragt: Rutscht das Messer nur einmal ab, war alles umsonst und das Teil wandert in den Müll. Höchstens drei Fehltritte genehmigte sich der Holzbildhauer. »Aber vielleicht schaffe ich es auch ohne.«

In seiner Heimat lernte der Spanier fünf Jahre lang einen Beruf, der heute schon so gut wie ausgestorben ist: das Fertigen von Stilmöbeln aus Massivholz. Solche Möbel restauriere man bloß noch, erzählt Valles Castro. Neu gebaut werde kaum. Die Techniken schaute er sich bei alten Meistern des Fachs ab, die inzwischen alle gestorben sind. Das Wissen droht verloren zu gehen. Experten wie Valles Castro sind dünn gesät.

Weit gebracht hat es der Spanier jedoch nicht nur in diesem Gewerbe. Nach der Lehre sattelte er einige Jahre um auf das Gastgewerbe, verdingte sich als Fünf-Sterne-Koch in Luxushotels und Spitzenrestaurants in der Schweiz und in Berlin. Und das alles nur, weil er den damals in Spanien noch vorgeschriebenen Wehrdienst nicht leisten wollte und auch einen zivilen Ersatzdienst ablehnte. Da blieb nur der Weg ins Ausland, der ihm als Koch damals leichter fiel.

Doch Anfang der 1990er Jahre warf Valles Castro die Kochmütze hin und griff wieder zu den Werkzeugen des Holzbildhauers – es sind rund 400 verschiedene Messer und Meißel in fast allen denkbaren Größen und Formen. Spricht Valles Castro über seine Arbeit, so gerät er schnell ins Schwärmen. Wenn der Familienvater es einrichten kann, geht er sogar sonntags in seine Werkstatt, schaltet das Radio ein und beginnt zu schnitzen. »Das ist so schön.«

Noch lieber als das Restaurieren sind ihm die eigenen Entwürfe. Bei einem Auftrag wie dem für die Schlösser-Stiftung geht es lediglich um das originalgetreue Kopieren. Valles Castro möchte aber kreativ sein. Neulich sah er beim Spazierengehen buntes Herbstlaub. »Die Farben waren so intensiv und ich wollte diesen Anblick festhalten.« Valles Castro entwarf einen breiten Spiegelrahmen mit einem Laubrelief. Schon angezeichnet lehnt der Rahmen in der Pankower Werkstatt an der Wand. Wann der Bildhauer dazu kommt, hier das Messer anzusetzen, steht noch nicht fest. Erst einmal kommen die Auftragswerke. Es gibt viel zu tun. Die Stücke aus Valles Castros Werkstatt erhalten internationale Auszeichnungen und erzielen hohe Verkaufserlöse. Doch davon hat der Künstler nicht viel, denn das meiste sacken die Zwischenhändler ein. Oft nennen sie nicht einmal seinen Namen.

So wohnt Valles Castro mit seiner Familie in einer durchaus bescheidenen Drei-Raum-Wohnung in Prenzlauer Berg, was allerdings auch seiner Lebensauffassung besser entspricht als eine Villa. Die Einrichtung der Wohnung stammt aus den bekannten großen Möbelhäusern. Für sich privat hat der 40-Jährige noch nie etwas geschnitzt. »Warum soll ich mir einen Stuhl machen? Ich habe sowieso keine Zeit, um mich hinzusetzen.«