Fähnchen im Eiswind

In Hamburg geht der Landeswahlkampf in die heiße Phase

  • Velten Schäfer, Hamburg
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Hamburger PDS war einst der Schrecken des Bundesvorstands. Mit neuem Personal und neuem Schwung könnte die LINKE nun in die Bürgerschaft einziehen. SPD-Kandidat Michael Naumann rückt nach links, weist eine rote Tolerierung aber zurück.

Das Parteifähnchen steckt auf einem Ast, die Schilder sind gebastelt, die Aktion am Stammtisch entstanden – Hochglanzwahlkampf sieht anders aus. Aber das Häuflein Hamburger LINKE-Mitglieder zeigt Präsenz im eisigen Januarwind vor der Lidl-Filiale im Stadtteil Eimsbüttel. Der Liedermacher Peter Gutzeit trägt seinen Kassiererinnensong »Sabine, die menschliche Maschine« vor. Und als das Grüppchen in Dreikönigskostümen den Supermarkt betritt, um dem ersten Hamburger Lidl-Betriebsrat zu gratulieren, scheint die Sympathie auf ihrer Seite – auch wenn der Be-triebsrat gar nicht da ist.

Am 24. Februar werden in Hamburg Bürgerschaft und Bezirksversammlungen gewählt, und derzeit sieht es gut für die LINKE aus. Auch in Hamburg zog der Boom im Sommer 2005; fast sieben Prozent gaben dem Projekt ihre Stimme. Und seit die Bremer LINKE im Parlament ist, trauen die Hamburger der Partei auch auf lokaler Ebene. Lange hinkten die landespolitischen Umfragen den Bundes-Werten für Hamburg hinterher, nun liegen beide bei sieben Prozent.

Früher paralysiert
So könnte Hamburg zu einem Referenzprojekt im Westen werden, während in Bremen die Querelen regieren. Ausgerechnet Hamburg – der Verband, der in PDS-Zeiten den Vorstand regelmäßig zur Weißglut trieb: Als 1997 die Bundeswehr die Dämme an der Oder sicherte, plakatierten die Hamburger »Soldaten sind Mörder«. Nach den Anschlägen vom September 2001 hieß die Losung »Sowas kommt von sowas«. »Die Partei war damals völlig paralysiert«, sagt Sprecherin Christiane Schneider im Rückblick. Auf dem Höhepunkt war die Krise bei der Bürgerschaftswahl 2001, als die Bundespartei nicht den eigenen Verband, sondern das linke Wahlprojekt »Regenbogen« unterstütze.

Das hat sich geändert. Auf der Liste finden sich keine Namen aus Zeiten des Sektierertums. Mit Kersten Artus, Betriebsratschefin beim Bauer-Verlag, mit Mehmet Yildiz vom türkischen Arbeiterverein DIDF, mit Norbert Hackbusch, der 1993 für die Grünen in der Bürgerschaft saß und später zu den »Regenbogen«-Gründern gehörte, mit dem Publizisten Joachim Bischoff und Olaf Harms von der DKP kandidiert ein breites Spektrum auf der offenen Liste.

Heute tolerant
Diese Truppe könnte das Zünglein an der Waage spielen. Heute soll ein Wahlparteitag beschließen, SPD und Grünen eine Tolerierung anzubieten. Die SPD weist das zurück, während die Grünen bisher nur eine Koalition ausschließen. In manchem grünen Bezirksverband ist auch das unpopulär – während die Ökos etwa im szenigen Altona mit der CDU koalieren. »Wir wollen nicht regieren, werden einem Politikwechsel aber nicht im Wege stehen, wenn die Bedingungen stimmen«, so Schneider: Privatisierungsstopp, Rekommunalisierung der Krankenhäuser, Umwandlung der Ein-Euro-Jobs in reguläre Arbeit, Einheitsschule.

Dass es rechnerisch für Rosa-Grün mit Tolerierung reichen könnte, ist nicht einmal unwahrscheinlich. Das ist auch der SPD aufgefallen – zuletzt ist der rechts gestartete Spitzenkandidat Michael Naumann klar nach links gerückt. Inzwischen wirbt auch er für kostenfreie Schulspeisung, will den teuren Bau einer umstrittenen U-Bahn-Linie stoppen und die Kliniken wieder in die öffentliche Hand überführen – alles Forderungen der LINKEN. Die SPD versucht, der roten Konkurrenz so viel Stimmen abzujagen, dass es für Rot-Grün allein reicht. Schneider ist davon aber nicht beeindruckt: »Die Leute erkennen das Original«, sagt sie.

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