Der Schwanz wedelt nicht mehr mit dem Hund

Bisher hatte Bahnchef Mehdorn einen politischen Blankoscheck. Jetzt legt ihn Tiefensee an die Leine

  • Hans Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 3 Min.
Mit Rückendeckung aus dem Kanzleramt und dem Stillhalten der Bahngewerkschaften hat Konzernchef Hartmut Mehdorn in der Vergangenheit noch jede Krise überlebt.

Die demonstrative Einmischung von Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) in den Tarifkonflikt bei der Bahn stellt einen Bruch mit langjährigen Gepflogenheiten dar. Zwar gehört die Deutsche Bahn AG immer noch zu 100 Prozent dem Bund. Doch spätestens, seitdem Mehdorn Ende 1999 auf Vorschlag von Kanzler Schröder den Chefposten übernahm, ist er mit einem Blankoscheck der Politik ausgestattet.

Seitdem propagiert Mehdorn unermüdlich den Börsengang des Unternehmens und betreibt die Umwandlung zum »Global Player« der Logistik. Unter dem Druck des Bahnchefs ließ Ex-Kanzler Gerhard Schröder 2002 seinen Verkehrsminister Kurt Bodewig fallen, weil dieser nicht den »integrierten Börsengang«, sondern eher ein Trennungsmodell favorisierte. »Die Deutsche Bahn ist ein privater Konzern. Wir haben da nicht reinzureden«, erklärte 2005 der Sprecher des Bundesverkehrsministeriums auf ND-Anfrage im Zusammenhang mit dem Verkauf der DB-Tochter Deutsche Eisenbahnreklame (DERG) an den Kölner Medienkonzern Ströer.

Kontrolle fehlt
Kurzum: Der Schwanz wedelte kräftig mit dem Hund. Obwohl das Bundesverkehrsministerium als Vertretung des Eigentümers nach wie vor in allen Fragen das letzte Wort haben könnte, findet eine effektive Kontrolle nicht statt. In den Aufsichtsrat der DB Holding entsendet der Bund auf die Anteilseignerbank nach wie vor vier Vertreter der Politik und sechs Vertreter der Wirtschaft. Hartmut Mehdorn hätte aber auch ohne das Stillhalten und die Flankierung durch die Spitzen der Bahngewerkschaften seinen radikalen Rationalisierungs- und Börsenkurs nicht so weit treiben können. So stimmten im Juni 2007 auch die Arbeitnehmervertreter in diesem Kontrollgremium der Verlängerung des Vertrags mit dem Bahnchef bis 2011 zu.

Die größte Bahngewerkschaft Transnet begründete dies seinerzeit damit, dass Mehdorn ein verlässlicher Partner sei, der für den »integrierten Bahnkonzern« und das deutsche Mitbestimmungsmodell stehe. Transnet-Chef Norbert Hansen ist stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender. Auch der Chef der Verkehrsgewerkschaft GDBA, Klaus-Dieter Hommel, sitzt im Gremium. Die GDL hingegen ist bei der Besetzung des DB-Aufsichtsrats zu kurz gekommen.

Die heile Börsenwelt ist endgültig zerbrochen, seitdem Bundesfinanzminister Steinbrück mit seinem »Holdingmodell« der von Neoliberalen aller Schattierungen geforderten Trennung von Netz und Betrieb endgültig die Tür öffnen will. »Wir prüfen das Volksaktienmodell und das Holdingmodell«, bestätigte auch SPD-Chef Kurt Beck auf ND-Anfrage. Minister Tiefensee, der sich jüngst in Personalunion als Sprecher von Bahnmanagement und GDL betätigte, weiß, dass er bei der an der SPD-Basis weit verbreiteten Kritik das angedachte Mega-Privatisierungsprojekt ohne passive Duldung der Gewerkschaften nicht durchsetzen kann.

Bierdeckel-Deal
Darum hat er Mehdorn an die Leine genommen und zu einer Art »Bierdeckel-Deal« mit GDL-Chef Schell genötigt. Schell wiederum ist »nicht grundsätzlich gegen einen Börsengang«, sondern favorisiert eine Trennung von Netz und Betrieb. Er könnte sich somit durchaus mit dem »Holdingmodell« abfinden.

Wolfgang Tiefensee hat klargestellt, dass Bahnchef Mehdorn trotz Rücktrittsforderungen aus der Politik »seine erfolgreiche Arbeit fortführen« solle. Mitten im Tauziehen um den Weg der Privatisierung will er nicht die Pferde wechseln oder gar mit dem Thema Bahn die Landtagswahlkämpfe zusätzlich politisieren – zumal CDU und SPD bisher dieses Thema aus der Wahlschlacht herausgehalten haben.

Aber auch aus der Sicht von Privatisierungsgegnern greifen solche isolierten Rücktrittsforderungen zu kurz und dienen bestenfalls als Blitzableiter. Ob ein Nachfolger Mehdorns unbedingt »besser« wäre, ist fraglich. Maßgeblich sind nicht allein die Köpfe – wichtig ist auch der politische Auftrag.

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