José Sócrates verliert Gunst der Portugiesen

Regierungschef musste sich nach EU-Präsidentschaft einem Misstrauensantrag der Linken stellen

  • Günther Bading, Madrid
  • Lesedauer: 2 Min.
Als EU-Ratspräsident konnte der portugiesische Regierungschef José Sócrates glänzen. Innenpolitisch gerät er inzwischen aber stark unter Druck. Die Portugiesen sind enttäuscht. Seine Sozialistische Partei bekäme heute keine Mehrheit mehr.

Ein halbes Jahr konnte der portugiesische Regierungschef José Sócrates als EU-Ratspräsident das Rampenlicht genießen. Nach glamourösen Ereignissen wie der Unterzeichnung des Lissabonner Vertrags haben ihn nun die Auseinandersetzungen mit seinen innenpolitischen Widersachern eingeholt. Zum ersten Mal seit Amtsantritt im März 2005 musste sich Sócrates in der vergangenen Woche einem Misstrauensantrag im Parlament stellen. Auch in Umfragen verlieren der Premier und seine Sozialistische Partei (PS) an Zustimmung.

Der Misstrauensantrag des linken Blocks wurde erwartungsgemäß mit den Stimmen der PS und bei Stimmenthaltung der stramm rechten Sozialdemokraten (PSD) abgelehnt. Eingebracht hatten die Linken den Antrag mit der Begründung, Sócrates handele undemokratisch, wenn er den Lissabonner Vertrag der EU durch Parlamentsbeschluss und nicht durch eine Volksabstimmung bestätigen lassen wolle.

Dreieinhalb Stunden dauerte die Debatte in der »Assambleia da República«. Sócrates verteidigte seine Entscheidung für die parlamentarische Ratifizierung des EU-Reformabkommens mit dem üblichen Hinweis darauf, dass es nicht mehr um eine Verfassung gehe, sondern um einen Vertrag zwischen den 27 EU-Mitgliedstaaten.

Mit seinen Ratifizierungsplänen hat sich Sócrates zwar durchgesetzt. Doch bläst ihm ein kalter Wind ins Gesicht. Nur noch 31 Prozent der Portugiesen, so besagen Umfragen, sehen ihre Erwartungen durch den PS-Spitzenpolitiker erfüllt. Im direkten Vergleich mit dem Fraktionschef der PSD, Luis Filipe Menezes, schneidet Sócrates noch ganz gut ab, wenngleich der Konservative aufholt. Im vergangenen Dezember hielten 38,9 Prozent Sócrates für den besseren Premier, im Januar nur noch 35,5 Prozent. Menezes erhielt vor einem Monat 25 Prozent Zustimmung, jetzt 27,5. Würde heute gewählt, so verlöre die PS mit 35,2 Prozent die absolute Mehrheit der Parlamentssitze, die sie im Februar 2005 mit 45,1 Prozent geholt hatte.

Die schlechteren Umfragewerte rühren auch aus den Sorgen der Portugiesen über die wirtschaftliche Entwicklung her. Zwar sind die allgemeinen Zahlen sehr gut. Portugals Wirtschaft wächst im europäischen Vergleich überdurchschnittlich. Auch für 2008 erwartet man 2,2 Prozent Wachstum. Doch das Bruttoinlandsprodukt liegt noch unter dem Wert neuerer EU-Mitglieder wie Tschechien oder Slowenien. Das Durchschnittseinkommen beträgt statistisch rund 750 Euro monatlich. Der gesetzliche Mindestlohn liegt jetzt bei 426,50 Euro pro Monat. Im Nachbarland Spanien ist er gerade auf 600 Euro angehoben worden.

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