Mit Jenny Wolf in eine goldene Zukunft?

Eisschnelllauf: Die Weltmeisterin aus Berlin ist ein Segen für den Verband

  • Jörg Mebus
  • Lesedauer: 3 Min.

Als Jenny Wolf mit einem Lächeln auf das Siegerpodest in der Thialf-Halle von Heerenveen (Niederlande) stieg, war der Wachwechsel im deutschen Eisschnelllauf endgültig vollzogen. Dass die Berlinerin mit ihrem sensationellen Triumph bei der WM im Sprint-Vierkampf den Superstar Anni Friesinger aus Inzell vom Sprint-Thron stieß, hatte Symbolcharakter. Wolf trägt ab sofort auch die einzigen Hoffnungen der Deutschen Eisschnelllauf-Gemeinschaft (DESG) auf eine goldene Zukunft nach Olympia 2010.

Eigentlich wollte die 28-Jährige ebenso wie die »Golden Girls« Friesinger (31), Claudia Pechstein (35) aus Berlin und Daniela Anschütz-Thoms (33) aus Erfurt spätestens nach Vancouver ihre Karriere beenden. Doch die schnellste Frau der Welt ist durch ihre jüngsten Erfolge erst so richtig auf den Geschmack gekommen.

»Wenn man vorne mitläuft und damit auch noch Geld verdienen kann, überlegt man sich schon, noch zwei oder drei Jahre dranzuhängen. Das ist doch ein super Leben, so einfach bekommt man es nie mehr«, meinte die Literaturstudentin, die den DESG-Oberen aus der Seele sprach. »Sie ist ein Segen für den Verband«, sagte DESG-Präsident Gerd Heinze.

Manchmal muss sich Wolf selbst kneifen, um ihren wundersamen Aufstieg in die Weltspitze zu realisieren: »Vor zehn Jahren hätte nie jemand gedacht, dass ich in einem Sprint-Vierkampf überhaupt unter die besten Zehn laufen könnte. Jetzt bin ich Weltmeisterin, das ist schon lustig.«

In der Tat ist Wolf eine Spätzünderin. Noch vor zwei Jahren war sie kaum in der Lage, zwei Läufe auf ihrer Spezialstrecke 500 m nacheinander konstant, ohne große Fehler und vor allem schnell zu laufen. Unter anderem deshalb blieb ihr bei den Winterspielen 2006 in Turin nur der enttäuschende sechste Platz. Erst im Januar 2007 hatte sie schmerzvoll erfahren, dass sie ihre Nerven in entscheidenden Momenten zu selten im Griff hat. Bei der Sprint-WM in Hamar lief sie im ersten 1000-m-Lauf vor eine Lichtschranke und stürzte.

Der WM-Titel über 500 m in Weltrekordzeit im März 2007 in Salt Lake City war der Wendepunkt. »Das hat mir Selbstbewusstsein gegeben«, meinte Wolf. Zudem fand sie bei ihrem neuen Freund Oliver, einem Berufssoldaten, Halt, auch wenn es wegen des Arbeitsplatzes ihres Partners von Beginn an Zoff gab: »Ich lehne Waffen ab. Ich bin Pazifistin. Das hat für lange Diskussionen gesorgt. Das war für mich nicht einfach, das zu akzeptieren.«

Mittlerweile ist die Weltcup-Siegerin auf der 500-m-Strecke fast konkurrenzlos. Nur die Chinesin Wang Beixing kann ihr noch ansatzweise das Wasser reichen. Vor allem an ihrer Kurventechnik hat sie gefeilt. Auch das Training mit einem Coach der Gewichtheber kommt ihrem explosiven Antritt zugute.

In Zukunft will Wolf vor allem ihre Kräfte nicht vergeuden und sich weiterhin ausschließlich auf die kurze Sprintstrecke konzentrieren. Die beiden 1000-m-Rennen in Heerenveen seien die letzten für sie in dieser Saison gewesen. Obwohl sie sich auch dort enorm verbessert hat und dadurch erst zur Konkurrenz für Friesinger wurde, ist sie sicher: »Ein sechster Platz entspricht nicht meinem Anspruch.«

Damit ist auch klar, dass Wolf und Friesinger sich in Zukunft zumindest sportlich weiterhin nur bei der Sprint-WM in die Quere kommen. Einen medienträchtigen »Zickenzoff« wird es zwischen Friesinger und Wolf, die sich ohnehin gut verstehen und respektieren, nicht geben. sid

WM - Männer, 1000 m (2. Lauf): 1. Lee Kyou-Hyuk (Südko) 1:08,82, 2. Bos (Nie) 1:08,94, 3. Mun Joon (Südko) 1:09,20, 12. Schwarz (Berlin) 1:10,42, 29. Ihle (Chemnitz) 1:12,16. Endstand Sprint-Vierkampf: 1. Lee Kyou-Hyuk 139,170 Pkt., 2. Wotherspoon (Kan) 139,265, 3. Mun Joon 140:080, 4. Kuipers (Nie) 140,130, 5. Nagashima (Jap) 140,750, 6. Poutala (Fin) 140,780, ... 14. Schwarz 142,485, 25. Ihle 144,350.

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