Gaukelspiel um die Wahrheit

»Elefanten schwimmen auch« in der Brotfabrik beschert fantasievolles Bildertheater

  • Volkmar Draeger
  • Lesedauer: 3 Min.

Zwei verhangene Kammern flankieren einen armselig vermüllten, engen Raum mit abgewetztem Mobiliar. Dort leben notgedrungen, ausweglos und in fragilem Gleichgewicht Franz und Ben. Franz, der zerknittert Ältere, präpariert Tiere, der gehbehinderte Ben arbeitet als Leichenwäscher. Geld ist nie da, weil Franz seinen Anteil stets beim Kakerlakenrennen verspielt.

Das klingt so absurd, wie der ganze 70-minütige Abend »Elefanten schwimmen auch« in der Brotfabrik abläuft. Der Franzose François Baldassare und sein deutscher Kollege Ralph Ufer haben es in gemeinsamer Improvisation ertüftelt und 2007 im Hinterzimmer einer Kneipe in Prenzlauer Berg uraufgeführt. Als Schattenrisse hinter Weißleinen flüstern die Akteure zu Beginn über ausweichendes Gas, das eine Explosion verursachen kann. Angstvoll fragt Ben, physikalisch nüchtern erklärt Franz. Dann zeigt ein Film, wie Ben in der sommerlichen Ruhe eines Friedhofs Erika kennenlernt. Daheim macht sich der greisenhaft tapsende Franz mit dem Skalpell über eine Katze her, bis in dem ruinösen Haus das Licht versagt. Da klimpert er auf einer Gitarre »Happy birthday to you«. Aus Freude auf die Verabredung mit Erika tanzt Ben zu Musetteklängen aus dem Radio. Als er mit Blumen zum Rendezvous geht, regt sich in dem bestürzten Franz unter rotem Licht sein innerer Dämon. Er zerstört Bens Hobbygemälde, verdreht sein Christuskreuz. Doch Erika kam nicht, tobt der rückkehrende Ben. Nachts schwingt Franz die Kürbisrassel. Ben in der anderen Kammer zuckt dazu rhythmisch wie das beherrschte Medium einer Beschwörungszeremonie. Als Ben in Raserei auf die Katze einsticht, geht Franz getroffen zu Boden.

Uns erzählt Franz mit gepresster Stimme wieder unter Rotglut die irre Geschichte vom europäischen Arztehepaar in Afrika, das von einem hünenhaften Medizinmann bedrängt und schließlich getötet wird. Der kleine Sohn ist seither verschollen. Damit erhält das Rätsel um das Ausgeliefertsein der beiden Männer eine neue Wendung. Franz könnte jener traumatisierte, lebensunfähige Junge sein, dem nur die Bindung an Ben Halt gibt und der boshaft ein Telefonat mit Erika blockiert. Und auch der Einbrecher, der Bens Geld stiehlt, könnte Franz sein. In einem epileptischen Anfall wird der Alte zum Geist des Medizinmanns, manipuliert am Gasrohr. Ben sticht ihn wieder über die Katze nieder, feiert mit dem Halbtoten Geburtstag, spielt mit ihm Besuch bei Erika. Im Film betritt Ben deren Wohnung, schleift enttäuscht ihre Leiche durch den Flur.

Zu Hause vollendet sich das Grauen: Den beiden Silhouetten bleibt nur noch, das Zusammenfallen des brennenden Hauses nach der Explosion zu beschreiben. Nichts war, wie es anfangs schien, weil sich hinter jeder scheinbaren Wahrheit eine sorgsam gehütete andere verbirgt. Die Compagnie bald...Ufer hat darauf mit einprägsam stimmigen Bildern und intensivem Spiel aufmerksam gemacht.'

Wieder 1.-3.2., 20 Uhr, Brotfabrik, Caligariplatz, Weißensee, Kartentelefon 471 40 01/02

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