Der lange Marsch zum Ruhm

DHB-Team: Vier Niederlagen, vierter Platz, viel Arbeit bis Olympia

Überall auf den endlos langen Gängen der riesigen Hakonhalle von Lillehammer hängen Fotos und Ehrentafeln, die an das Großereignis erinnern, von dem der Ort wohl noch eine halbes Jahrhundert zehren kann: Olympia 1994. An einer Treppe vorm Block D ist Jens Weißflog zu sehen, in Jubelpose: »Hopp K 120, Gold« steht darüber.

Für deutsche Wintersportler war Lillehammer einst ein gutes Pflaster. Für die Handball-Weltmeister aus Deutschland weit weniger. Sie mussten hier erfahren, dass der Weg zu olympischem Ruhm noch weit ist. Bei der EM im Olympiajahr verloren die deutschen Handballer gestern das Spiel um Platz drei in drastischer Deutlichkeit mit 26:36 (9:18)gegen Frankreich.

»Das kleine Finale ist immer ein schweres Spiel, da treffen zwei Enttäuschte aufeinander«, hatte Bundestrainer Heiner Brand prophezeit. Dass die Enttäuschung bei den vermeintlich auf den Titel abonnierten Franzosen nach der Halbfinalniederlage gegen Kroatien womöglich noch tiefer säße als bei den Deutschen, war gestern nicht zu erkennen. Viel deutlicher war allerdings zu erkennen, dass es ohne die fantastische Unterstützung von beispielsweise 19 000 heimatlichen Fans wie beim WM-Finale 2007 schwieriger ist, ganz vorne zu landen. Nach der gestrigen Zehn-Tore-Klatsche gegen Frankreich kritisierte Brand allerdings auch die Einstellung einiger Spieler: »Ich kann verlieren, aber nicht so.»

Die gnadenlos aufspielenden Franzosen zeigten den verletztgeschwächten Deutschen – die EM-Ausfallliste chronologisch: Velyky, Roggisch, Kehrmann, Preiß – im abschließenden Spiel noch einmal die Problemfelder auf: Selbst die sonst zumeist funktionierende 6:0-Abwehr war nur noch nominell vorhanden, und im Angriff offenbarte sich erneut der in jedem EM-Spiel zu Tage getretene Nachholbedarf.

Anlass, gar auf ein Olympiafinale in Peking zu hoffen, besteht in dieser Verfassung kaum. Der Rückraum mit dem Halblinken Hens und dem Halbrechten Glandorf war für den Gegner zu leicht auszurechnen, die Spielmacher Baur und Kraus erwiesen sich nur selten als Macher. Und nur in Ausnahmefällen konnten sich Klimowets oder Preiß so in Szene setzen, wie man es von einem Kreisläufer erwartet: Gestern gegen Frankreich fiel das erste Tor vom Kreis nach einer halben Stunde.

Das Dauerthema Verletzungen dürfte übrigens zu einem Teil hausgemacht sein. Womöglich hat auch der wertkonservative Bundestrainer nach der knappen Niederlage gegen die Dänen im Halbfinale gegrübelt: Wieso waren die Dänen ohne schwere Verletzungen durchs Turnier gekommen? Vielleicht, weil deren Trainer Ulrik Wibek viel konsequenter als Brand rotieren ließ?

Groß waren die Hoffnungen vor dem Turnier gewesen, noch größer war die Enttäuschung vorgestern, als das Halbfinale durch einen Siebenmeter in letzter Sekunde verloren gegangen war. Linksaußen Torsten Jansen versuchte, dem Ganzen noch etwas Gutes abzugewinnen: »Mit vier Niederlagen Vierter werden – das muss man erst mal schaffen.« Auf olympische Ehrentafeln schafft man es als Vierter allerdings nicht.

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal