Die verstellte Uhr

Gendefekt bringt Risiko für Schlafprobleme

  • Walter Willems
  • Lesedauer: 2 Min.

Die biologische Uhr steuert den Tagesrhythmus und damit auch die Aktivitäten des Menschen. Der innere Taktgeber sitzt in der Hirnregion des Hypothalamus. Er ist direkt mit den Sehnerven verknüpft und wird über das Sonnenlicht gestellt. Aber dieser Taktgeber wird maßgeblich von den Genen beeinflusst, wie eine Studie des Berliner Universitätsklinikums Charité zeigt. Die Erbanlagen sind den Forschern zufolge der Grund dafür, dass es Frühaufsteher und Langschläfer – Lerchen und Nachteulen – gibt. In der Studie spiegelte die Aktivität der sogenannten Uhrgene den Tagesrhythmus der Teilnehmer wider. Ist die innere Uhr »verstellt«, so leben viele Betroffene, etwa in Schule oder Beruf, gegen ihren biologischen Rhythmus.

In der Vergangenheit haben schon Zwillingsstudien darauf hingewiesen, dass die Erbanlagen den 24-Stunden- oder circadianen Rhythmus beeinflussen. In der Untersuchung entnahmen nun Chronobiologen um Achim Kramer Hautzellen von 28 Patienten, die unter Schlafstörungen litten. Sämtliche Teilnehmer waren entweder Nachteulen oder ausgesprochene Frühaufsteher. Die Immunologen kultivierten die Hautzellen und beobachteten darin in Abhängigkeit von der Tageszeit die Aktivität der sogenannten Uhrgene, also jener Gene, die den 24-Stunden-Rhythmus beeinflussen. Das individuelle Profil dieser Erbanlagen verglichen sie dann damit, wie der jeweilige Teilnehmer seinen Tag gestaltete. Resultat: Sind die Gene aktiv, ist der Mensch es auch. »Allein am Verlauf der Kurven können wir vorhersagen, ob es sich um einen Frühaufsteher oder Langschläfer handelt«, betont Kramer.

Einen Teil der Patienten ordnen die Forscher in der Zeitschrift »Proceedings of the National Academy of Sciences« (PNAS, Bd. 105, S. 1602) als extremen Spät- oder Frühtyp ein. Die Analyse der Hautzellen deutet darauf hin, dass diese Personen einen Gendefekt tragen, der ihre innere Uhr verstellt. Betroffen von solchen Veränderungen der Erbanlagen sind nach Angaben der Charité rund ein Viertel aller Bundesbürger.

»Für die Betroffenen ist es ein Problem«, sagt Kramer, »weil sie ständig gegen ihren biologischen Rhythmus leben müssen.« Sie sind eigentlich zu einer anderen Phase des Tages aktiv und können sich nur schwer auf die vorgegebenen Zeiten von Schule und Beruf oder an die Gepflogenheiten von Freunden einstellen. Folge der erzwungenen Anpassung sind laut Kramer oft Stress, Schlafstörungen oder sogar psychische Erkrankungen. »Mit unserer neuen Untersuchungsmethode ist es jetzt möglich, in kurzer Zeit zu testen, ob das Problem genetisch bedingt ist«, erklärt der Chronobiologe. Helfen könne dann eine individuelle Behandlung, etwa mit Hilfe der Lichttherapie.

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