Portugiesisches

MaerzMusik: Ensemble Modern

  • Liesel Markowski
  • Lesedauer: 3 Min.
Cristina Branco
Cristina Branco

Das Berliner Festival für aktuelle Musik, unter dem Namen MaerzMusik etabliert, hat diesmal (noch bis zum 16.3.) neben den üblichen Unerhörtheiten eine interessante Facette in seinem Programm: Wechsel, Wandern, Reisen verschiedener ethnischer Kulturen und deren Wirkung auf entwickeltes europäisches Komponieren. Schwerpunkte liegen dabei auf Mexiko und der iberischen Halbinsel, musikalisch hier weitgehend unbekannt und schon deshalb ein Vorhaben, das neugierig macht. So hat sich das Ensemble Modern unter Leitung von Franck Ollu gleichsam nach Portugal begeben, ans westlichste Ende Europas, dessen musikkulturelle Spezifik es für uns noch zu entdecken gilt. Dazu ergab sich an diesem Abend Gelegenheit: Portugiesische Tradition war sowohl original als auch reflektiert von fremder Hand kennenzulernen.

Der Italiener Stefano Gervasoni stellte ein Konzert mit Fados nach Amália Rodrigues und Liedern auf Sonette von Luis Vaz de Camões vor. »Com que voz« (Mit welcher Stimme) hat er sein Werk nach Worten des portugiesischen Renaissance-Dichters genannt, die weiter lauten: »... den bitteren Fado singen, seit er lebendig mich begrub in solch düsterem Verließ«. Der Fado, (dem Lateinischen entlehnt, Schicksal bedeutend) steht für portugiesische Volkskultur per se und spiegelt die Seele der Leute, ein Empfinden aus Traurigkeit, Abschied und Sehnsucht.

Der Fado – in Überlieferung der legendären Sängerin Amália Rodrigues – ist die eine, die klassische Sonett-Dichtung des Camões die andere Quelle für Gervasoni. Der Komponist (geb. 1962) – von Luigi Nono zum Komponieren angeregt, ausgebildet u.a. von Luca Lombardi und György Kurtág – hat beide Sphären in seinem Konzert (uraufgeführt im Februar 2008) einander gegenübergestellt. Hier das Populäre mit Fado-Sängerin (Cristina Branco, Foto: MaerzMusik) und dort das Artifizielle, eigene Vertonungen der Liebes-Sonette mit klassischem Bariton (Frank Wörner). Ein Zyklus von jeweils zwölf einander abwechselnden Liedern, die per eigenem Trio »regional« ergänzt werden: von portugiesischer und spanischer Gitarre nebst Kontrabass die originalen Fados, von Viola, Akkordeon und Cymbalon die Sonette. Dazwischen das Instrumental-Ensemble in kleinen Gruppen: ergänzend, verbindend, sowie Live-Elektronik: malend und charakterisierend. Ein sehr eigentümliches Arrangement, mit dem der Komponist das Fremde im eigenen Idiom reflektieren will.

Es gelingt ihm mit einer funkelnden Palette der Instrumentalklänge. Es gelingt ihm ebenso mit der Konfrontation beider Sphären, der eingängigen, auch sentimentalen Fado-Welt und den zumeist hart konturierten, oft scharfen eigenen Sonett-Liedern. Es gelingt ihm weiter mit der sparsam eingesetzten Elektronik. Die Interpretation auf hohem Niveau im klanglichen Spektrum wie im Gesanglichen. Man gewann lebendigen Eindruck von einer uns fernen Kultur und der aktuellen kompositorischen Reflexion auf sie.

Gleichzeitig wurden Nachteile des Ganzen deutlich: Vor allem scheint die Überlänge von neunzig Minuten problematisch. Während sich die Fado-Gesänge in Traurigkeit und dahinschmelzender Sentimentalität bald erschöpften, konnte auch die herbe deklamatorische Bariton-Gestik auf solche Dauer nicht überzeugen. Hinzu kam der durchweg in Originalsprache gebotene Text, den man übersetzt erst post festum in der Beilage nachlesen konnte. Daher gab es neben Ansprechendem auch Langatmigkeit und Ermüdung, schade.

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