nd-aktuell.de / 14.03.2008 / Politik / Seite 5

»Ich bin und bleibe Sozialistin«

Angela Marquardt trat vor fünf Jahren aus der PDS aus, nun tritt sie in die SPD ein – welche Gründe bewegen sie?

Zunächst war Angela Marquardt wegen ihrer einprägsamen äußeren Erscheinung eine der öffentlich bekannten PDS-Politikerinnen. Für Schlagzeilen sorgte sie noch mehrfach: als bekannt wurde, dass die DDR-Staatssicherheit bereits in Kinderjahren auf sie Einfluss zu nehmen begonnen hatte. Als sie ins Visier der Berliner Staatsanwaltschaft geriet, weil sie auf ihrer Internet-Seite einen Link zur verbotenen Zeitschrift radikal angelegt hatte. 2003, als sie aus der PDS austrat. Und nun, weil sie in die SPD eintrat. Uwe Kalbe unterhielt sich mit ihr über die Gründe.
Angela Marquardt
Angela Marquardt

ND: Was hat Sie bewogen, in die SPD einzutreten?

Angela Marquardt: Ich bewege mich jetzt anderthalb Jahre in der SPD. Als Mitarbeiterin von Andrea Nahles und inzwischen auch Geschäftsführerin der Denkfabrik habe ich die Diskussionsprozesse in der Partei und insbesondere in der SPD-Linken kennengelernt. Mit meiner Entscheidung will ich gerade in dieser Zeit, in der sich die künftige Entwicklung der SPD entscheiden könnte, die Parteilinke unterstützen.

Das erklärt noch nicht, was Sie zur SPD zieht.

Ich finde Verbündete zu vielen meiner Positionen – angefangen beim Kampf gegen Studiengebühren, zur Reformierung von Hartz IV oder des Kindergeldsystems. Auch was meine langjährigen Themen im innenpolitischen Bereich angeht, wie die Vorratsdatenspeicherung oder die Bekämpfung des Rechtsextremismus, gibt es große Übereinstimmungen.

Wie kann man denn der SPD Debatten über die Folgen von Hartz IV zugute halten, die doch der SPD erst zu verdanken sind?

Ich finde Hartz IV in Teilen auch katastrophal, aber ich fände in allen Parteien Punkte, die eigentlich für mich kaum erträglich sind. Auch Auslandseinsätze der Bundeswehr werde ich in Zukunft weiter kritisch hinterfragen. Den Streit darüber werde ich aber künftig in der SPD führen.

Die besteht nicht nur aus der Parteilinken.

Ich habe große Schnittmengen mit der SPD, aber auch zu vielen Positionen andere Auffassungen und die werde ich zukünftig als Mitglied vertreten. Die Partei hat seit ihrem Hamburger Parteitag ein neues Programm, das auch Grundlage für meine Entscheidung ist, wieder in einer Partei politisch aktiv zu werden.

Gab es in der PDS keine Gruppen, mit denen Sie Schnittmengen hatten? Das hat Sie nicht gehindert, die Partei 2003 zu verlassen.

Es gibt wohl keine Partei, in der alles super ist, in der sich jedes Mitglied jederzeit wiederfindet.

Ist es eher Enttäuschung oder Hoffnung, die Sie zur SPD treibt?

Ich hatte fünf Jahre Zeit, über mein Leben nachzudenken, anderthalb Jahre, mir die SPD genauer anzuschauen und ich hatte im November vergangenen Jahres ein interessantes Gespräch mit Kurt Beck. Ganz klar, es ist die Hoffnung, etwas in Bewegung zu bringen. Es gibt derzeit ein großes sogar öffentliches Interesse an linken Themen, und ich möchte nicht, dass Inhalte billigem Populismus geopfert werden. Enttäuscht war ich mal, jetzt nicht mehr.

Worüber enttäuscht?

Darüber, dass ich wegen meiner politischen Herkunft mit meinem Studienabschluss und meinen Erfahrungen nichts anfangen konnte, überall auf Ablehnung stieß.

Was hat Ihnen Kurt Beck für Ihren Eintritt versprochen?

Versprochen hat er nichts. Ich werde im Willy-Brandt-Haus in der Arbeitsgruppe Rechtsextremismus arbeiten, er hat mich gebeten, mich zu diesem wichtigen Thema gerade für die neuen Bundesländer auch in den Parteivorstand einzubringen. Ich möchte wieder Politik und damit Gesellschaft gestalten.

Geht es nicht auch um Hilfe für Angela Marquardt? Ist nicht mit dem Vorwurf zu rechnen, es gehe hier um Karriere?

Das wird einer von vielen Vorwürfen sein. Ich habe mein Studium abgeschlossen und neue Erfahrungen gesammelt. Andere, durchaus grundsätzliche Positionen haben sich nicht geändert, meine Haltung über und für Links ist geblieben. Ich war demokratische Sozialistin und bleibe demokratische Sozialistin auch in der SPD. Egal, was andere sagen. Nichts spricht dagegen, wenn sich Menschen und ihre Ansichten ändern, aber es ändern sich auch die gesellschaftlichen Realitäten. Vielleicht habe ich mich ja weniger verändert, als die äußeren Umstände.

Die LINKE ist auf dem Weg ihrer Sozialdemokratisierung. Konnten Sie nicht einfach abwarten?

Ich bin vor fünf Jahren ausgetreten. Ich habe mich jetzt entschlossen, in die SPD einzutreten. In der Linkspartei von heute bin ich nie gewesen. Mit der Trennung von der PDS hat das längst nichts mehr zu tun, auch wenn ich einen Kurs der Linkspartei nicht erkennen kann. Neben sozial- und friedenspolitischen Forderungen gibt es auch sehr nationalistische Töne. Und der Kampf um Positionen wird in der Partei weder offen noch demokratisch geführt. Dass ich mich in dieser Situation für die SPD entscheide, soll auch ein Zeichen gegen solche Entwicklungen in der Linken sein – und damit meine ich nicht nur die Partei.

Die Partei von Wolfgang Clement und Gerhard Schröder ist der Gegenentwurf?

Clement und Schröder sind normale Mitglieder, nicht in verantwortlicher Funktion in der SPD. Es gibt eben wie in jeder Partei unterschiedliche inhaltliche Ansätze. Es gibt auch die Juso-Vorsitzende Franziska Drohsel in der SPD.

Immer weniger Menschen scheinen sich von der SPD gut vertreten zu fühlen, Entwicklungen wie Agendapolitik oder Kriegseinsätze haben viel damit zu tun. Ein seltsamer Zeitpunkt für einen Parteieintritt, oder?

Für mich sind Parteien nicht soziale Heimat, sondern ein politisches Mittel. Die SPD ist kein starres Gebilde und befindet sich, wie man auch als Außenstehender unschwer erkennen kann, in einem intensiven innerparteilichen Diskussionsprozess. Ich will unter anderen die SPD-Linke in diesem Prozess unterstützen. Als ich 1991 in die PDS eingetreten bin, hat man mich auf der Straße angespuckt. Der Zeitpunkt war damals eigentlich denkbar ungünstig für einen Eintritt.

Auch wenn Sie längst kein Mitglied mehr sind – sicher werden die lautesten Kommentare aus der LINKEN kommen.

Ich hätte mich heute – um es zugespitzt zu formulieren – zwischen den Sozialdemokraten in der Linkspartei und den Linken in der SPD entscheiden können, wenn ich die gleichzeitige Wahl zu treffen gehabt hätte.

Und womöglich endet das alles in einer einzigen großen Vereinigungsparty der einstigen mit der neuen Partei.

Demokratie heißt auch, Mehrheiten auf der Grundlage von erkennbaren Kompromissen zu finden. Im Interesse linker gesellschaftlicher Entwicklung ist eine Zusammenarbeit notwendig. Aber ich sehe noch nicht, dass die Linkspartei das wirklich überall will. Eine Ministerpräsidentin wählen zu wollen, heißt noch lange nicht, eine konstruktive Zusammenarbeit folgen zu lassen. Es geht nicht um das Ego einer einzelnen Partei, sondern es geht darum, gestalten zu wollen und auch zu können.

Gerade übt sich Ihre neue Partei allerdings in Abgrenzungsritualen gegenüber Ihrer alten.

In dieser Frage gibt es nicht die Partei, wie wir in den letzten Wochen gesehen haben. Es ist an mancher Stelle auch nachvollziehbar, dass dies für die SPD kein leichtes Thema ist. Ich wünschte mir mehr Sachlichkeit in der Debatte. Ich bin 13 Jahre PDS-Mitglied gewesen. Da sind auch sehr gute Freundschaften entstanden, die bis heute bestehen. Und daran wird sich durch mich nichts ändern.

Wird man Angela Marquardt womöglich irgendwann wieder als Abgeordnete im Bundestag sehen?

Ich habe einen Job, und ich denke nicht zuerst über mögliche Posten in der SPD nach. Jetzt wollen wir erstmal sehen, ob sich die SPD überhaupt mit mir anfreunden kann.