Online-Diskussion mit Folgen

Staatsanwaltschaft verlangt von Erwerbslosen Forum Mitgliedsdaten

  • Fabian Lambeck
  • Lesedauer: 2 Min.
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Mitgliedern eines Online-Forums droht eine Klage wegen Volksverhetzung. Vorausgesetzt, die Staatsanwaltschaft ermittelt deren Identität.

Im September des letzten Jahres stürmte eine offenbar geistig verwirrte Frau in eine Aachener Arbeitsagentur. Dort zog die Arbeitslose ihre Schreckschusspistole und nahm zwei Geiseln. Die Frau ließ ihre Geiseln nach zwei Stunden wieder frei.

Das juristische Nachspiel dauert jedoch an. Die Staatsanwaltschaft Aachen interessiert sich allerdings weniger für die Geiselnahme, als für eine Diskussion darüber. Auf einer Website des Erwerbslosen Forums äußerten einige Teilnehmer Verständnis für die Geiselnehmerin. »Solche Sachen können bei Hartz-IV-Empfängern passieren, die ja offensichtlich unter erheblichem Druck durch Behörden stehen«, meinte ein anonymer Teilnehmer. Daraufhin meldete sich der Staatsschutz beim Erwerbslosen Forum und verlangte die Herausgabe der Daten einiger Diskutanten.

Offizielle Begründung: Verdacht der Volksverhetzung und Billigung von Straftaten. Das Forum gab die gewünschten Daten nicht heraus und bemühte die Gerichte. Am Mittwoch verwarf das Landgericht Aachen jedoch die Beschwerde des Forums. »Wir überlegen nun, vor den Bundesgerichtshof zu ziehen«, gibt sich der Sprecher des Forums, Martin Behrsing, kämpferisch. Das Gericht habe sich nicht einmal die Mühe gemacht, die konstruierten Vorwürfe der Staatsanwaltschaft zu überprüfen.

Das Gericht ignoriert auch die Tatsache, dass Forenbetreiber keine Daten speichern dürfen, die Rückschlüsse auf die Persönlichkeit des Nutzers zulassen. In diesem Sinne urteilte 2007 auch das Berliner Amtsgericht, als es dem Bundesjustizministerium untersagte, die personenbezogenen Daten von Nutzern der Ministeriums-Website zu speichern. So soll das Erwerbslosen Forum Daten herausgeben, die es gar nicht speichern darf.

Das Bundesverfassungsgericht hat der Speicherung von personenbezogenen Daten enge Grenzen gesetzt. Die Strafverfolger dürfen zwar gespeicherte Daten von Internetnutzern abrufen. Allerdings sind nur die Anbieter von Telekommunikationsdiensten verpflichtet, diese Daten zu speichern, nicht aber die Betreiber einer Website. Außerdem urteilte das Verfassungsgericht, dass dieser Abruf nur bei schweren Straftaten zulässig sei. Im Strafgesetzbuch gilt die Volksverhetzung zwar als Straftat und kann mit bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe geahndet werden, für den Gesetzgeber gilt dies nicht als »schwere Straftat«.

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