Neonazis provozieren in Lübeck unter Polizeischutz

Breites antifaschistisches Bündnis mobilisierte knapp 2000 Gegendemonstranten

  • Dieter Hanisch, Lübeck
  • Lesedauer: 2 Min.
Ein Großaufgebot der Polizei sorgte dafür, dass die NPD und Kameradschaften der rechten Szene am Sonnabend in Lübeck ihren »Trauermarsch« durchführen konnten. Knapp 2000 Gegendemonstranten versammelten sich trotz Dauerregens am Holstentor, um gegen den Nazi-Aufzug zu protestieren.

Im dritten Jahr nacheinander hatte der Lübecker NPD-Kreisvorsitzende Jörn Lemke Gesinnungsfreunde zu einem »Trauermarsch« in die Marzipanstadt geladen, um ihre perfide Geschichtsbetrachtung des alliierten Bombenangriffs vom 28. März 1942 auf die Straße zu tragen. Die Teilnehmerzahl fiel mit etwas mehr als 300 dabei leicht hinter die Vorjahresmobilisierung zurück.

Die Polizei eskortierte die Rechten mit martialischer Begleitung von Räumpanzern, Wasserwerfern, Hundestaffeln und Feuerlöschtrupps durch den Stadtteil St. Lorenz-Süd, nachdem eine knapp einstündige Sitzblockade von Gegendemonstranten den Abmarsch für Lemke und Co. zunächst verzögert hatte. An anderen Stellen verhinderte die Polizei ein Aufeinandertreffen beider Seiten. Dabei wurden nach Augenzeugenberichten auch Kinder und Senioren durch die Uniformierten rabiat attackiert und teilweise verletzt.

Wurden von der Polizei am Bahnhof noch »Sieg Heil« rufende Männer festgenommen und überlange Transparente der Rechten wegen Verstoßes gegen Auflagen penibel aus dem Verkehr gezogen, hielten sich die Beamten bei den Redebeiträgen der Neonazis zurück. So sprach der den Freien Nationalisten zuzuordnende Thomas Wulff, zugleich im NPD-Bundesvorstand, unbehelligt von den Verbrecherstaaten USA und Großbritannien. Und der ehemalige NPD-Landesvorsitznde Peter Borchert provozierte mit der Ankündigung, dass ein bei einer Mahnwache Anfang des Monats gestohlenes antifaschistisches Transparent bei der Neonazidemonstration am 1. Mai in Hamburg »geschändet und verbrannt« wieder den Besitzern überlassen werde.

Ein breites antifaschistisches Bündnis unter Beteiligung der Jüdischen Gemeinde, der Türkischen Gemeinde, vielen Kirchenvertretern (ihr Motto: »unser Kreuz hat keine Haken«), Betriebsräten, Gewerkschaften, VVN-BdA, Attac, Bündnis 90/Grünen, der LINKEN und antifaschistischen Gruppierungen war es dennoch ein Erfolg, dass »kein Nazi seine Parolen in der Lübecker Innenstadt rufen« konnte, wie es Propst Ralf Meister ausdrückte.

Der stellvertretende Stadtpräsident Reinhold Hiller (SPD) forderte ein NPD-Verbot und sagte: »Wer die Demokratie abschaffen will, hat sein Demonstrationsrecht verwirkt.« Antje Jansen, Kreisvorsitzende der LINKEN in Lübeck, warnte vor einem Erstarken der NPD bei den am 25. Mai anstehenden Kommunalwahlen: »Wir wollen keine Faschisten im Lübecker Rathaus!« Sie mahnte die Unterstützung antifaschistischer Projekte durch die Stadt an.

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