Olaf Scholz in der Bredouille

Geringer Erfolg des Kompromiss-Projekts

  • Lesedauer: 2 Min.
Das Projekt Branchenmindestlohn ist von ständigem Koalitionsstreit geprägt. Die Union blockt und Christliche Billiggewerkschaften helfen Arbeitgebern, Lohnauffanglinien nach unten zu drücken. Das SPD-Vorhaben hat unübersehbare Makel.

Heute läuft die Frist aus, nach der sich Branchen, die einen verbindlichen Mindestlohn einführen wollen, bei Arbeitsminister Olaf Scholz (SPD) melden sollen. Zehn bis zwölf Branchen, so hoffte die SPD, würden sich bewerben. Nun sind es nicht mal halb so viele – um Aufnahme gebeten haben die Zeitarbeitsbranche, die Großwäschereien und die privaten Forstunternehmen. Letzte Woche hat auch die Sicherheitsbranche einen entsprechenden Antrag gestellt.

Dort sitzen sich der Bundesverband Deutscher Wach- und Sicherheitsunternehmen (BDWS) und die christliche Gewerkschaft Öffentlicher Dienst und Dienstleistungen (GÖD) als Gesprächspartner gegenüber. Zuvor waren Verhandlungen zwischen Arbeitgebern und ver.di geplatzt, weil letztere sich nicht unter 7,50 Euro Stundenlohn drücken lassen wollte. Der BDWS hatte die Forderung jedoch als nicht verhandelbar zurückgewiesen. Nach jetzigem Stand peilen GÖD und BDWS Lohnuntergrenzen von 5,75 Euro (Ost) beziehungsweise 8,00 Euro (West) an. Ver.di spricht angesichts der viel zu niedrigen Lohnhöhe von einem Skandal. Dagegen trägt Arbeitsminister Scholz die Pläne mit – und kommt damit selbst in die Bredouille, einen Armuts- statt Mindestlohn mitzuverantworten.

Ein ähnlicher Makel hängt der in der Zeitarbeitsbranche ausgehandelten Lohnuntergrenze an. Während der DGB sich mit zwei Arbeitgeberverbänden (IGZ und BZA) einig wurde, handelte der dritte Verband AMP niedrige Löhne mit der christlichen Zeitarbeitsgewerkschaft aus. Dies unterstützt die Union. Sie will verhindern, dass der DGB-Lohn auf die gesamte Branche ausgedehnt wird.

Aufwind für derlei Vorhaben gibt Christen und Christdemokraten dabei das Urteil um den Postmindestlohn. Das Berliner Verwaltungsgericht hatte dessen Anwendung auf alle Briefzusteller für rechtswidrig erklärt. Die Postwettbewerber hatten mit einer eigens gegründeten Gewerkschaft niedrige Lohnuntergrenzen für ihre Beschäftigten ausgehandelt.

Ursprünglich hatte die SPD mit dem Mindestlohn in den Bundestagswahlkampf 2009 ziehen wollen. Die Blockadehaltung der CDU hat den angepeilten Erfolg nun aber deutlich schrumpfen lassen. Zudem wird auch die erhoffte Annäherung an die Gewerkschaften kaum gelingen, die sich angesichts der aufstrebenden christlichen Billigkonkurrenz weiter in die Krise driften sehen. IB


Hier gibt es Mindestlohn

Bauhauptgewerbe: 9,00-12,50 EUR (438 300 Beschäftigte)

Maler- und Lackiererhandwerk: 7,50-11,05 EUR (109 000 Beschäftigte)

Dachdeckerhandwerk: 10,20 EUR (58 600 Beschäftigte)

Abbruchgewerbe: 9,10-11,96 EUR (9 700 Beschäftigte)

Gebäudereinigerhandwerk: Ost: 6,36 EUR West: 7,87 EUR (321 000 Beschäftigte)

Elektrohandwerk: Ost: 7,90 EUR West: 9,40 EUR
(278 000 Beschäftigte)

Briefdienstleistungen: 8,00-9,80 EUR (140 000 Beschäftigte)

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