Vergabegesetz bleibt Streitfall

DGB verteidigt neue Regelung gegen Unternehmer / Ramelow und Trittin schreiben scharfe Briefe

  • Jörg Meyer
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Streit um Mindestlöhne bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen geht weiter. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) kritisierte zum Wochenende die »fortwährenden Proteste« der Vereinigung der Unternehmensverbände in Berlin und Brandenburg (UVB) gegen die Gesetzesreform, die das Abgeordnetenhaus am 13. März beschlossen hatte. Doro Zinke, stellvertretende Vorsitzende des DGB-Bezirkes Berlin-Brandenburg, nannte das Verhalten der UVB »abwegig und unverständlich«. Nach dem neuen Gesetz ist ein Mindestlohn von 7,50 Euro für Unternehmen, die öffentliche Aufträge übernehmen, vorgeschrieben. Gibt es keinen Tarifvertrag beziehungsweise unterschreitet dieser den Mindestlohn, sollen trotzdem 7,50 Euro bezahlt werden.

DGB-Bezirkssprecher Dieter Pienkny nannte die Reform einen »ersten Schritt«. Es könne aber noch Nachbesserungen geben, beispielsweise bei der Kontrolle der Vorschrift. »Es kann in dieser sozialen Marktwirtschaft nicht Klassenziel sein, dass Arbeitnehmer aus Gründen der unternehmerischen Wettbewerbsfähigkeit zusätzliche Sozialhilfe beziehen müssen«, sagte Pienkny gegenüber ND.

Der Streit zieht indes auch ganz andere Bahnen. In einem internen Briefwechsel zwischen den Bundestagsabgeordneten Jürgen Trittin (Grüne) und Bodo Ramelow (LINKE), der ND vorliegt, rasseln die beiden mit harten verbalen Bandagen gegeneinander: Vom »Auseinanderklaffen von politischem Programm und Regierungshandeln« bei der Berliner Linkspartei sprach Trittin, weil in landeseigenen Betrieben Löhne von 5,30 Euro pro Stunde gezahlt würden. Ramelow, der sich auf rechtliche Verpflichtungen bei der Vergabe dieser Aufträge beruft, wirft Trittin vor: »Sie werden mir zustimmen, dass kein Gesetz das Land Berlin genötigt hat, noch schnell vor Inkrafttreten des Vergabegesetzes und nach Beschluss des Senats diese Verträge abzuschließen.«

Ramelow seinerseits meinte, Trittin solle sich vorher die Frage stellen, »wer das Entstehen von Bedingungen zugelassen hat, in denen diese 5,30 Euro ein tarifvertraglich geregelter Stundenlohn sind.« Thilo Sarrazin habe mit seinem umstrittenen Hartz-IV-Speiseplan bloß vorgerechnet, was die Grünen während ihrer Regierungsbeteiligung im Bund mit festgelegt hätten. Zudem könne sich Trittin sicher sein, dass er sich mit seinen Genossen »intensiv gemeinsam um Lösungen bemühe, die [...] jenen [...] gerecht werden, die unter den Folgen von Hartz IV leiden«, so Ramelow.

Die UVB berufen sich in ihrer Kritik auf eine Entscheidung des Berliner Verwaltungsgerichts vom 10. März, in dem die Rechtswidrigkeit der Postmindestlohnverordnung festgestellt wird: Danach habe der Bundesarbeitsminister seine Befugnisse überschritten. Er könne nur Verordnungen über nicht tarifgebundene Löhne erlassen.

Der DGB zitiert seinerseits eine Entscheidung vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) aus dem Juli 2006, wonach das Vergabegesetz rechtens sei. Es werde keinesfalls in einem Bereich herumverordnet, der der Tarifautonomie unterliege. Die Löhne seien nach wie vor Sache der Tarifparteien.

Der rot-rote Senat begrüßte die Reform des Vergabegesetzes, war es ihm doch gelungen, eines seiner Vorzeigeprojekte zu realisieren. Es gab aber auch Kritik an der Regelung: Die Linkspartei war unzufrieden, weil die SPD soziale, ökologische und frauenpolitische Vorgaben kurz vor knapp gestrichen hatte. Ins gleiche Horn stießen außerparlamentarische Gruppen und Grüne, die sich deshalb bei der Abstimmung enthielten.

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