Ärger mit dem Archipel?

Die Åland-Inseln und der Lissabonner EU-Vertrag

  • Gregor Putensen
  • Lesedauer: 1 Min.
Der Prozess der Ratifizierung des Lissabonner EU-Vertrages scheint kaum noch aufzuhalten zu sein. Auch in Finnland gilt die parlamentarische Mehrheit für eine Annahme des Vertrages vor dessen erstmaliger Behandlung in der nächsten Woche als sicher. Allerdings könnten die Åland-Inseln für einiges Knirschen im Ratifizierungsgetriebe Finnlands sorgen.

Der Archipel im Süden des Bottnischen Meerbusens mit seiner schwedischsprachigen Bevölkerung wurde durch einen Schiedsspruch des Völkerbundes 1921 Finnland zugesprochen – allerdings mit einem Sonderstatus. So verfügen die wirtschaftlich prosperierenden Åland-Inseln in Mariehamn über ein eigenes Parlament, das Lagting, dessen 30 Abgeordnete mehrheitlich dem bürgerlichen Spektrum entstammen.

Das Lagting kann zwar die Zustimmung des finnischen Reichstags zum Lissabon-Vertrag nicht verhindern, den Vertrag aber auf Grundlage des Autonomiestatus schon mit elf Gegenstimmen formell ablehnen. Dieser Fall könnte eintreten, wenn einige Abgeordnete ihre Ambitionen auf einen Sitz im Europäischen Parlament nicht genügend berücksichtigt sähen. Die Folge wäre ein peinlicher innerstaatlicher Konflikt. Das hässliche Wort »Erpressung« soll bereits gefallen sein. Schwerer wiegen allerdings aländische Befürchtungen, durch den EU-Vertrag könnten die Gesetzgebungskompetenzen des Parlaments in Mariehamn ohne jeglichen Ausgleich beschnitten werden.

Sollte der finnische Reichstag den Reformvertrag – wie zu erwarten – annehmen, ohne dass auch das Lagting zustimmt, träte gemäß einem Gutachten des Verfassungsausschusses folgende Situation ein: Die Divergenz zwischen nationaler und internationaler Rechtsgültigkeit auf dem Staatsgebiet Finnlands könnte Helsinki dazu zwingen, sowohl mit Åland als auch mit den EU-Staaten neu darüber zu verhandeln, was und inwieweit denn künftig auf dem Archipel gelten soll.

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