Nokianer zweifeln an Hilfezusage

Kriterien des EU-Globalisierungsfonds lassen keine Unterstützung zu

  • Holger Elias, Brüssel
  • Lesedauer: 3 Min.
EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso verbindet das Schicksal des Bochumer Nokia-Werks mit einer eher eigennützigen werbewirksamen Offensive, mit der er sich für eine Wiederwahl empfehlen will.

Der portugiesische EU-Kommissar sicherte den Mitarbeitern die Hilfe der EU zu und bot der Bundesregierung an, sie möge doch Mittel aus dem Globalisierungsfonds beantragen, mit denen beispielsweise Umschulungsmaßnahmen finanziert werden könnten. Doch die Sache hat gleich mehrere Haken.

Eigentlich soll der von Barroso entwickelte und vor einem Jahr beschlossene Globalisierungsfonds den vom Strukturwandel und der Globalisierung direkt Betroffenen durch Umschulungsmaßnahmen und aktive Arbeitsmarkteingliederung oder bei Unternehmensgründungen helfen. Er will nach dem Willen der Kommission Unterstützung in jenen Fällen anbieten, in denen mehr als 1000 Arbeitnehmer von einer Werksschließung oder Verlagerung betroffen sind. Voraussetzung ist eine Teilfinanzierung des Maßnahmenpakets durch den betroffenen Mitgliedsstaat. Als das Thema vor einigen Wochen im EU-Parlament zum Teil heftig kritisiert wurde, da lobte ihn der portugiesische Landsmann und Abgeordnete José Silva Peneda von der konservativen EVP überschwänglich. Mit dem Fonds sei nun die »Antwort auf die Globalisierung« gefunden worden.

Selbst prominente Parteigänger Penedas hielten sich bei einer solchen Beurteilung des Globalisierungsfonds sichtbar zurück, zumal nun nach über einem Jahr diagnostiziert werden musste, dass er praktisch kaum genutzt wird. Der deutsche EVP-Abgeordnete Thomas Mann (CDU) räumte ein, dass das neue Lieblingskind Barrosos mit »heißer Nadel« gestrickt worden sei und deshalb einige Schwächen habe. Mann hegt etwa Zweifel an den Kriterien der Vergabe, und er sieht sich damit in einer Reihe kritischer Wirtschaftsexperten, die den praktischen Nutzen in Frage stellen und allenfalls von einer obligaten Solidaritätsbekundung der EU-Kommission gegenüber den Betroffenen sprechen.

Genau das ist auch der springende Punkt im Fall des Bochumer Nokia-Werkes. Barroso macht den Beschäftigten Hoffnung und fordert die Bundesregierung zu einem Schritt auf, der eigentlich klar im Widerspruch zu den Kriterien zur Nutzung des Fonds steht: Nokia verlagert die Arbeitsplätze bekanntermaßen nach Rumänien, also in einen EU-Mitgliedstaat. Der Fall schließt aber die Vergabe von Mitteln aus dem Fonds in einem solchen Fall aus.

Und noch eine Tatsache lässt den von Barroso ins Gespräch gebrachten Fonds eher als Muster ohne Wert erscheinen: Der Globalisierungsfonds speist seine öffentlich benannten 500 Millionen Euro keinesfalls durch eine eigene Mittelzuweisung, die eine halbwegs unbürokratische Auszahlung sichern würde. Wird einem Antrag stattgegeben, dann verfügt die für den Haushalt zuständige Behörde den Betrag aus einem der Töpfe des Europäischen Sozialfonds – vorausgesetzt, dort sind Mittel übriggeblieben. Experten bezweifeln die Rechtmäßigkeit dieser aufwändigen Fonds-Konstruktion, und Betroffene kritisieren ein neues aufgeblähtes Bollwerk der Brüsseler Bürokratie, das überwunden werden muss. Das Prozedere führt dazu, dass die Mittel frühestens ein halbes Jahr später ausgereicht werden können. Gerade in Fällen, wo schnelle Hilfe vonnöten ist, ist das ein unhaltbarer Zustand.

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