Behindertenquote endlich erfüllt

Scheinbarer Erfolg in Ministerien erweist sich bei genauem Hinsehen als statistischer Effekt

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 2 Min.

Ein leidiges Problem scheint sich einfach dadurch zu lösen, dass Zeit verstreicht. Es ist nach Angaben der Landesregierung absehbar, dass sie erstmals in der Nachwendegeschichte die vorgeschriebene Behindertenquote erfüllt. Mit der Einstellung behinderter Menschen hat das freilich überhaupt nichts zu tun.

Gesundheitsministerin Dagmar Ziegler (SPD) verkündete es in ihrer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage stolz: Es sei »erkennbar«, dass voraussichtlich bis zum Ende der Legislaturperiode im Jahr 2009 die Beschäftigtenquote von fünf Prozent erfüllt wird«. Im Jahr 2006 seien 4,86 Prozent der Landesbeschäftigten behindert gewesen, im Jahr davor 4,55 Prozent und noch ein Jahr früher 4,24 Prozent.

In der Vergangenheit verfehlte die Regierung die fünf Prozent und zahlte lieber Strafe, als etwas zu unternehmen. Eine Abgabe von rund eine Million Euro war alljährlich fällig. Sie wurde an das Integrationsamt in Cottbus überwiesen. Die meisten Ressorts schafften die vorgeschriebene Quote nie. Nur der Staatskanzlei, dem Sozialministerium und dem Wirtschaftsministerium gelang es.

Inzwischen zeigt sich ein jedenfalls nach außen hin erfreulicheres Bild: Nur noch Innenministerium, Justizministerium und Wissenschaftsministerium liegen unterhalb der geforderten Marke. Sie müssen weiter Abgaben entrichten. Die übrigen Ressorts liegen nun über fünf Prozent – Staatskanzlei, Sozialministerium und Wirtschaftsministerium inzwischen sogar um mehr als sieben Prozent.

Sind also mehr Behinderte in den Landesdienst eingetreten? Weit gefehlt. In Wirklichkeit hat sich die Zahl der Schwerbehinderten in den Ministerien zwischen 2003 und 2007 bedeutend verringert, nämlich um rund 800. Die Gründe für das Ausscheiden konnten Pensionierung, Erwerbsminderung, Altersteilzeit, Vorruhestand, Versetzung oder der eigene Wunsch sein. Wie Ziegler zugibt, wurden in diesem Zeitraum bloß 153 Schwerbehinderte eingestellt. Das Innenministerium beispielsweise verließen 103 Behinderte – ganze vier wurden eingestellt. Beim Bildungsministerium betrug das Verhältnis 313 zu 12. Nur bei der Staatskanzlei lief es anders. Hier verließen fünf Behinderte ihren Arbeitsplatz und neun neue kamen.

Was ist also der Grund, dass die die Quote nun erreicht werden kann? Die Antwort lautet: Es gab in den Ministerien einen Stellenabbau, von dem die Gruppe der Schwerbehinderten jedoch unterproportional betroffen war.

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