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Zweifel am deutschen Bergrecht

Neues Gutachten: Gesetz schafft widerstreitende Eigentumsrechte

  • Klaus Muche
  • Lesedauer: 2 Min.
Das Bundesberggesetz regelt nicht den gerechten Ausgleich der Interessen von Bergbaubetroffenen und Bergbauunternehmen, sondern bevorzugt von vornherein die Interessen der Industrie. Zu diesem Schluss kommt ein Rechtsgutachten, das vergangene Woche auf einer Pressekonferenz von Bündnis90/Die Grünen in Berlin vorgestellt wurde.

Bis zuletzt hatte Werner Dommain gegen die Mühlen des Rechts gekämpft. Schließlich musste er, wie die anderen Hornoer vor ihm, doch dem Bagger weichen. Dirk Teßmer hatte den letzten Bürger von Horno bei allen Verhandlungen begleitet, nun legt der Frankfurter Anwalt ein Gutachten über eins der fatalsten deutschen Gesetze vor.

»Das Bundesberggesetz ist in seiner gegenwärtig gültigen Fassung in besonderer Weise darauf ausgelegt, die Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung von Bodenschätzen zu ermöglichen und zu fördern«, sagt Teßmer. Für jeden, der zufällig über einem Bodenschatz gebaut hat, kann das die Aufgabe der bisherigen Existenz bedeuten. Denn bevor es überhaupt zu einem Ausgleich kommen kann, erteilt die Bergbehörde schon die Konzession. »Weil es an starken Schutzpositionen fehlt, die einem Vorhaben zur Durchführung eines Abbauvorhabens klare Grenzen setzen«, so Teßmer in seinem Gutachten, konnte Werner Dommain also erst zu den Behörden gehen, als es schon zu spät war. Mit dem Tagebau Jänschwalde war eine Maschine ins Rollen gekommen, die selbst durch eine eine ganze Gemeinde nicht mehr zu stoppen war.

In seinem Gutachten listet Teßmer alle Problemfelder systematisch auf, und vor allem die bisherige Wirkung: »Seit 1945 wurden für Tagebauvorhaben in Deutschland zur Gewinnung von Braunkohle über 300 Ortschaften devastiert und über 110 000 Menschen umgesiedelt. Natur und Landschaft in einer Größenordnung von ca. 100 000 Hektar wurde bzw. wird weiterhin abgegraben und irreversibel umgestaltet.«

Doch obwohl Menschen ihre Heimat verlieren und sich Stress und Heimatverlust zu handfesten gesundheitlichen Problemen anwachsen, »werden sie bei grundlegenden bergrechtlichen Entscheidungen zur Vorbereitung des Bergbaus nicht beteiligt.« Teßmer hat die Ursache in den Regeln »zur Verleihung von Bergbauberechtigungen und zur Zulassung von Betriebsplänen« ausgemacht.

»Das geltende Bergrecht schafft mit der Trennung der Eigentumsverhältnisse an der Grundstücksoberfläche einerseits und den hierunter lagernden ›bergfreien‹ Rohstoffen andererseits einen Konflikt widerstreitender Eigentumsrechte.« Doch anders als bei sonstigen Großvorhaben werden die Betroffenen nicht zuvor gehört, weil »mit der Inhaberschaft der Bergbauberechtigung noch keine Genehmigung zur Durchführung von Bergbautätigkeiten verbunden ist«.

Der Veränderungsbedarf ist groß. Konzessionsvergabe, Enteignungen und vor allem Entschädigungen bei Bergschäden müssen neu geregelt werden. Dazu müsste die Genehmigung bergbaulicher Vorhaben von Grund auf geändert werden. Gelänge es den Grünen, diese Änderungen gegen alle Widerstände durch den Bundestag zu bringen, wäre jede weitere außerparlamentarische Offensive gegen neue Tagebaue überflüssig.

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