nd-aktuell.de / 16.07.2008 / Brandenburg / Seite 12

Babylonisches Prekariat

Ex-Beschäftigter von Kino in Mitte beklagt Arbeitsbedingungen / Geschäftsführung dementiert

Jörg Meyer

Jason Kirkpatrick freut sich. Er bekommt zwei Monate Lohn nachgezahlt. Mit einem Vergleich endete Dienstagmorgen vor dem Arbeitsgericht das Verfahren um seine fristlose Kündigung. Der Geschäftsführer des Kinos Babylon Mitte hatte ihn im Mai entlassen – nach seinen Angaben ohne einen Grund zu nennen. Die Parteien hätten sich darauf geeinigt, dass die Kündigungsfrist hätte eingehalten werden müssen, bestätigte die Vorsitzende Richterin, Monika Stürmann.

Im Verfahren benannte die »Neue Babylon Mitte GmbH« den Grund für die Kündigung. Der am Einlass und im Kartenverkauf tätige Kirkpatrick habe einen offenen Brief an Management und Belegschaft geschrieben, mit dem er das »Betriebsklima gestört« habe. In der E-Mail hatte Kirkpatrick die Nichtverlängerung seines Vertrages kritisiert und Vorschläge zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen gemacht. »Ich habe vorgeschlagen, dass es öfter mal ein Feedback von der Geschäftsführung über die Zufriedenheit mit den Beschäftigten gibt«, erzählte Kirkpatrick ND. Eine weitere Kritik war, dass Dienstversammlungen mit Anwesenheitspflicht nicht als Arbeitszeit bezahlt werden. Der Brief sei auch das Ergebnis zahlreicher Diskussionen zwischen Mitarbeitern und Ehemaligen des Babylon. Die Art und Weise, wie die Geschäftsführung agiere, stoße bei vielen Mitarbeitern auf Unverständnis und Wut, sagte Kirkpatrick. Aber die wenigsten trauten sich, etwas zu sagen, weil sie die Folge fürchten.

Jens Mikat, Theaterleiter im Babylon, sieht die Sache anders. »Von dem, was in der Mail steht, stimmt nicht ein einziger Punkt«, sagte er gegenüber ND. Vielmehr habe Kirkpatrick die E-Mail geschrieben, weil er sich aus strategischen Gründen im Gespräch halten wollte: Ihm sei kurz vorher in einem Gespräch eröffnet worden, dass er aus betrieblichen Gründen nicht weiterbeschäftigt werden könne – im Sommer gebe es in Kinos eben nicht so viel zu tun. Für die Geschäftsleitung habe es darum »nur zwei Möglichkeiten« gegeben, so Mikat. Entweder Kirkpatrick nehme die falschen Aussagen zurück oder ihm werde gekündigt.

Im Babylon arbeiten größtenteils

studentische Aushilfen bei einem Stundenlohn von 5,50 bis 7 Euro. Die Arbeitszeit würde sehr flexibel gehandhabt. Das Betriebsklima sei sehr gut, so Mikat. Auch deshalb habe ihn die E-Mail von Kirkpatrick entsetzt.

Der Streit im Babylon ist kein Einzelfall. Viele Beschäftigte in Berliner Kinos klagen über prekäre – also unsichere – Arbeitsbedingungen. Weil sie auf den Job angewiesen sind, wehren gerade Studenten sich oft nicht gegen niedrige Löhne und intransparente Schichteinteilungen. Schriftliche Arbeitsverträge sind längst nicht die Regel.

Philipp Stein vom Berliner Mayday-Bündnis sagte: »Der Fall ist einer von unzähligen, in denen Unternehmer versuchen, Arbeitnehmerrechte zu unterlaufen.« Er zeige aber, dass es Sinn habe, um seine Rechte zu streiten. Das Bündnis hatte sich ab Ende 2007 an einer Kampagne unter dem Titel »Mir reicht's. Nicht!« beteiligt. Mit einer Umfrage in mehreren Kinos machte das Bündnis auf die Arbeitsbedingungen aufmerksam. Über den Protest konnte ein Haustarifvertrag in einem Kino erstritten werden.