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  • Afghanistan - Truppen raus - dem Frieden eine Chance

Die Mehrheit in Europa sagt Nein zu NATO und Krieg

Warum unterstützt Frankreichs Präsident etwas, das so offensichtlich versagt?

  • Arielle Denis
  • Lesedauer: 5 Min.

Mouvement de la Paix, die Friedensbewegung in unserem Land, ist wie die Mehrheit der französischen Bevölkerung (laut Umfragen 65 Prozent) sehr besorgt und empört wegen der Entscheidung ihres Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy, neue Truppen nach Afghanistan zu schicken. Dieser Beschluss ist kontraproduktiv und gefährlich, nicht nur für Afghanistan, sondern auch für Frankreich und den Weltfrieden. Das hängt nicht zuletzt mit der angekündigten vollständigen militärischen Wiedereingliederung Frankreichs in die NATO zusammen – ein großer historischer Fehler.

In Afghanistan kann es keinen Sieg gegen die Taliban auf dem Schlachtfeld geben. Die USA und ihre Verbündeten versuchen es seit sieben Jahren, wir erinnern uns, wie lange es die sowjetische Armee versucht hat. Welche Bevölkerung würde nicht gegen eine Besetzung kämpfen? Eine militärische Lösung gibt es nicht.

Sarkozys Kurswechsel ist ein großer Fehler

Im Interesse der afghanischen Bevölkerung wäre allein ein Kurswechsel von der militärischen hin zu einer zivilen Politik, wären Mittel für den Wiederaufbau von Schulen, Krankenhäusern, Straßen, Wasserquellen, Rathäusern, wäre der Dialog in der Zivilgesellschaft. Das ist der Preis, der bezahlt werden muss, um gegen die Taliban zu gewinnen und den Drogenhandel aufzuhalten. Das ist der Preis, der für den Frieden bezahlt werden muss.

Dass der Krieg weiter geführt wird, ist ein großes Hindernis für den Wiederaufbau des Landes und die Entwicklung der Volkswirtschaft. Jeder Mensch auf der Welt, selbst die NATO, erkennt dies als Fehler an. Warum unterstützt Frankreich etwas, das so offensichtlich versagt? Das erste Kontingent französischer Truppen in Kabul bildet dort die Polizei und das Heer aus. Die neuen Truppen werden zum Kämpfen entsandt. Das ist ein großer Richtungswechsel in der französischen Politik. Er hängt mit dem Wunsch des Präsidenten »Sarkozy l’Américain« zusammen, ins NATO-Oberkommando zurückzukehren, das General de Gaulle im Jahre 1966 verließ.

Zurück in die alte NATO? Nein danke! Was die neuen Truppen in Afghanistan angeht: Sarkozy hat sich vorher nicht einmal mit dem Parlament beraten, und er hat seine Entscheidung im Ausland ankündigt. Eine regelmäßige Umfrage zu den transatlantischen »Gefühlen« der Franzosen zeigt, dass 66 Prozent der Bevölkerung nicht wollen, dass Frankreich engere Beziehungen mit den USA aufbaut. Der »ideologische« Kurswechsel der neuen Männer an der Macht ist widersinnig und steht im Widerspruch zu den Interessen Frankreichs und des Weltfriedens.

Die Allianz steckt in der Krise

Man könnte sagen, dass »Raus aus der NATO« die Meinung der Franzosen ist. Es war richtig und nützlich, sich gegen den Krieg in Irak auszusprechen, und das ist es auch weiter, vor allem in den Beziehungen mit den arabischen Ländern. Die bisherigen französischen Präsidenten haben auf den »Multilateralismus« gesetzt – zumindest mit Worten. Nun ist der Begriff aus dem Vokabular Sarkozys wie auch aus dem der UNO verschwunden. Dieser Weg ist sehr gefährlich. Die Unterstützer der USA versuchen, die UNO allmählich durch die NATO zu ersetzen, die so viel »effizienter« sein soll! Dieser Weg führt zu einem permanenten Kriegszustand.

Allerdings laufen die Dinge nicht ganz so reibungslos für die NATO. Auf dem jüngsten Gipfel im April in Bukarest wurde ein Kandidatenstatus der Ukraine und Georgiens abgelehnt, auch nachdem USA-Präsident George Bush schon verkündet hatte, dass man sie »hineinlassen« würde. Es war das erste Mal, dass die 26 Mitgliedsländer eine Entscheidung der USA von solcher Wichtigkeit nicht mitgetragen haben. Auch weigerten sie sich, Mazedonien aufzunehmen. Leider haben sie einen wichtigen Schritt hin zu einem neuen Raketenabwehrsystem gemacht.

Was Afghanistan anbetrifft: Auch wenn Frankreich mehr Truppen entsendet, es wird nicht ausreichen, um den Krieg zu gewinnen! Kein anderes Land hat eine positive Antwort auf den Appell Bushs gegeben, das Engagement zu verstärken! Diese mangelnde Unterstützung für den Einsatz in Afghanistan ist vielleicht ein Zeichen für die Zukunft des Bündnisses am Hindukusch. Die NATO kann diesen Krieg unmöglich gewinnen, das Bündnis stößt an seine Grenzen. Dies zeigt auch, dass sich die Welt in eine neue Epoche bewegt, in der die Herrschaft des Imperiums bröckelt. Die Niederlage in Irak schadet seinem Ansehen, der Dollar verliert an Einfluss, die Krise der Volkswirtschaft weitet sich aus. Wie lange noch können die USA Hegemonie vortäuschen?

Lasst uns gemeinsam gegen die NATO kämpfen. In Frankreich gibt es breite Ablehnung gegen die vollständige Wiedereingliederung in die Allianz, selbst im Sarkozy-Lager. Die Menschen verstehen nicht, warum Frankreich sich hinter die offensichtlich versagende USA-Außenpolitik stellen sollte. Wir haben ein Netzwerk »NATO-Afghanistan – Nein zum Krieg und zum Militärbündnis – Frieden, Freiheit, Demokratie« zusammen mit 50 Organisationen, Gewerkschaften, Partien, NGO und vielen Persönlichkeiten gegründet.

Verschwendung von Mitteln, Leben und Zeit

Der nächste Schritt zur Rückkehr Frankreichs in die militärischen Strukturen der NATO soll zum 60. Jahrestag des Bündnisses beim Gipfel in Straßburg und Kehl erfolgen. Wir müssen dieses Jubiläum zum letzten machen, Europa und die Welt haben genug vom Krieg. Was für eine Verschwendung von Mitteln, Leben und Zeit! Wir brauchen einen anderen Weg, um diesen Planeten und seine Menschen zu schützen. Die Mehrheit der europäischen Bevölkerung sagt Nein zur NATO mit ihren Raketen, ihrem sogenannten Abwehrschirm, zur Militarisierung der Europäischen Union, zur Abhängigkeit der Entscheidungen in der EU-Außenpolitik von einem anderen Staat. Lasst uns zusammenarbeiten, um ihr eine Stimme zu geben.

Arielle Denis ist Vizepräsidentin des Mouvement de la Paix.

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