• Politik
  • Bundeswehr Gelöbnis vor dem Reichstag in Berlin

Balsam für die Militärseele

Bundeswehr hofft auf mehr zivile Anerkennung

  • Frank Brendle
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Bundeswehr fühlt sich nicht genug geschätzt in der Bevölkerung. Das Rekrutengelöbnis vor dem Reichstag soll für gute PR sorgen.

Ein öffentliches Gelöbnis symbolisiere die gelungene Integration der Armee in die Gesellschaft, deshalb gehörten die Rekruten auf den Platz vor dem Reichstag, heißt es. Tatsächlich zeigt das Agieren der Bundeswehr, wie wenig die behauptete Integration gelungen ist. Wurden ähnliche Zeremonien früher etliche Monate zuvor angekündigt, ging Verteidigungsminister Franz Josef Jung den Auftritt auf dem Reichstagsrasen wie eine geheime Kommandosache an. Die Überraschung ist insofern gelungen, als dass den GelöbNIX-Demonstranten kaum Zeit blieb, ihre Proteste vorzubereiten und die Demo-Auflagen gerichtlich prüfen zu lassen.

Ähnliches gilt allerdings auch für die Politik: Die vielfach beschworenen »Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens« haben zwar im Verbund mit dem Militär lautstark gegen das Beinahe-Verbot des Gelöbnisses durch das Grünflächenamt Mitte protestiert. Aber nun sind sie im Urlaub und denken gar nicht daran, diesen für die Militärzeremonie zu unterbrechen. Die meisten Bundestagsabgeordneten wurden gar nicht erst eingeladen. So konterkariert sich der Anspruch der Bundeswehr, ihren Platz mitten in der Hauptstadt einzunehmen, von selbst. Wer sich gleichsam auf Schleichpfaden durch den Tiergarten an den Reichstag heranrobbt, ist sich seiner Anerkennung durch die zivile Gesellschaft offenbar nicht gewiss.

Das Gefühl, von der Bevölkerung nicht angemessen geschätzt zu werden, bedrückt die Militärs seit langem. Die Bundeswehr ist faktisch eine Freiwilligenarmee, die aber – trotz Massenarbeitslosigkeit – zunehmend unter Bewerbermangel leidet. Kein Wunder: Wer dient, muss nach Afghanistan oder in andere Gebiete, in denen die Bundeswehr Krieg führt. Für überdimensionierte Militärausgaben hat außer der Rüstungslobby sowieso niemand Verständnis.

Angesichts solcher Widrigkeiten könnte eine öffentliche Militärfeier mit Tschingderassabum nicht nur Balsam für die gebeutelte Militärseele sein, sondern auch eine wichtige PR-Maßnahme. Aber das hat in Berlin noch nie geklappt. Jung scheucht seine Truppe vor den Reichstag, um einen Platz in der Mitte der Gesellschaft zu beanspruchen, aber dann landet sie doch wieder nur in ihrem selbstverordneten Käfig, abgeschottet durch Tausende Polizisten und Feldjäger.

Wo man hinsieht, begibt sich die Bundeswehr in Widersprüche. Schon die Symbolik von Ort und Datum ist nicht stimmig. Denn was hat der Reichstag mit dem 20. Juli zu tun? Die Offiziere wollten Hitler zwar beseitigen, vertraten selbst aber eine antirepublikanische und antimoderne Position. Man kann ihnen Respekt bezeugen, aber warum vor dem Reichstag? Gegen dessen Ausschaltung hatte es im Offizierskorps keinen Widerstand gegeben, auch nicht von denen, die später widerspenstig wurden. Und die Mitte der Gesellschaft war nun das allerletzte, womit sich die militärische Opposition gemein machen wollte. Sie triefte vielmehr von elitärem Adelsdünkel und dem Willen, die Nation zu führen, aber nicht, sich ihr unterzuordnen.

Im Alltag der Truppe spielt der 20. Juli ohnehin keine Rolle. Wer auf den Verfassungsauftrag der Bundeswehr besteht und einer Führung den Gehorsam verweigert, die nicht Verteidigung, sondern Interventionskriege will, fliegt raus.

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