Bundesregierung produziert viel heiße Luft

Berlin ignoriert das eigene Umweltbundesamt und baut auf klimaschädliche Kohlekraftwerke

  • Susanne Götze
  • Lesedauer: 3 Min.
Große Ziele und nichts dahinter: Die Bundesregierung schürt Zukunftsängste bei den Verbrauchern, um die Kohle- und Atomlobby bei der Stange zu halten. Aktivisten aus der ökologischen und linken Bewegung fordern dagegen ein eindeutiges Bekenntnis für eine Energiewende, die nicht nur umweltverträglicher, sondern auch demokratischer sein soll.

Der Bundeswirtschaftsminister versucht es immer wieder. Diese Woche appellierte Michael Glos nochmals eindringlich, dass es »unverantwortlich« sei, den Neubau von Kohlekraftwerken zu verzögern sowie die Laufzeiten einiger Atomkraftwerke nicht zu verlängern. Es werde höhere Strompreise geben und Lücken in der Versorgungssicherheit, drohte der CSU-Politiker. Eine Welt ohne Atom- und Kohlekraftwerke kann sich der Minister kaum vorstellen, da alle »rationalen Argumente« dagegen sprechen würden.

Mit »Verzögerungen« seiner Pläne muss Glos aber allemal rechnen. Denn die Öko-Aktivisten lassen an dieser neuen fossilen und nuklearen Offensive kein gutes Haar. Für nächstes Wochenende ist im Rahmen des Doppelcamps in Hamburg die Besetzung der Baustelle des neuen Kohlekraftwerks Moorburg geplant. Dort will der Energieriese Vattenfall eines der 20 neuen fossilen Kraftwerke errichten, die die Stromversorger derzeit bundesweit planen oder schon bauen. Die »Versorgungslücken-Theorie« von Glos legitimiert die Vorhaben der Konzerne.

Aktivisten wie Jutta Sundermann von der Anfang des Jahres gestarteten Attac-Kampagne »Power to the people« geben nicht viel auf die Kassandrarufe des Bundesministers. Die Energiewende sei eine Chance, die derzeitige Energieversorgung endlich umzukrempeln. Sundermann beruft sich auf das Umweltbundesamt (UBA). Dieses hat vor einigen Monaten mit einer Untersuchung nachgewiesen, dass durch den Wegfall von Atomkraft und einen Verzicht auf neue Kohlekraftwerke keineswegs die Versorgungssicherheit bei Strom bedroht sei. Laut UBA müssten nur die Kraft-Wärme-Kopplung ausgebaut, Erneuerbare Energien gefördert und Energie gespart werden. Es komme eben immer darauf an, wer diese Studien verfasse, so Sundermann. So sei es kein Geheimnis, dass sich die Bundesregierung oft auf die Deutsche-Energie-Agentur (Dena) stütze, die teilweise eng mit den Energieversorgern kooperiere.

Auch Felix Pithan, der die Besetzung des Moorburger Kohlekraftwerkes mit organisiert, nennt die Behauptung des Wirtschaftsministers und der großen Energiekonzerne schlicht »Panikmache« und »verlogen«. Von einer Stromlücke könne keine Rede sein. Wenn die neuen Kohlekraftwerke tatsächlich gebaut würden, wäre die klimaschädliche Kohle nochmals für Jahrzehnte in der deutschen Energieversorgung verankert. »Wir wollen eine dezentrale, ökologische, soziale und demokratische Energieversorgung«, betont Pithan. Dafür müsse man die derzeitige Macht des Energiekonzernoligopols brechen und die Menschen vor Ort mit ins Boot nehmen. Auf lokaler Ebene solle dann demokratisch entschieden werden, wer welche Energie zu welchen Konditionen produzieren soll, so die Vorstellung von Pithan und seinen Mitbesetzern.

Pithan ist auch Mitglied des Studierendenverbandes SDS, der der Partei DIE LINKE nahe steht. Er weiß, dass es auch in der LINKEN immer noch Stimmen gibt, die der Kohle nicht abgeschworen haben. Sozialistische Kohlefreunde sind vor allem noch im Saarland und in Brandenburg zu finden. So empfahl sich Bundestagsfraktionschef Oskar Lafontaine erst am letzten Wochenende beim Landesparteitag in Neunkirchen als Retter des Saar-Bergbaus. In Brandenburg sorgte der Landtagsabgeordnete Ralf Christoffers – Vizechef der Fraktion – vor kurzem mit seinem Bekenntnis für neue Tagebaue für Furore. Zwar unterstützt die Brandenburgische Landtagsfraktion eine Volksinitiative gegen die Neuerschließung von Braunkohletagebauen, doch auch das heißt nicht, dass das schwarze Gold grundsätzlich tabu ist. Die Bundestagsfraktion spricht sich dafür aus, »bislang genehmigte Braunkohle-Tagebaue abzubauen« und bei der Steinkohle einen »Sockelbergbau« zu erhalten, sprich, diesen auf niedrigem Niveau weiterzuführen.

In einem Punkt sind sich Partei und soziale Bewegung hingegen einig: Ohne eine eigentumsrechtliche Entflechtung der Konzerne wird auch keine Energiewende stattfinden. Diese ist angesichts der hochgesteckten Klimaeinsparziele Deutschlands und Europas unabdingbar.

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal