Das »deutsche 9/11« und die CIA

US-Geheimdienstler in Anschlagsvorbereitung der »Sauerland-Bomber« verwickelt

  • Jürgen Elsässer
  • Lesedauer: 3 Min.

Es hätte angeblich das schlimmste Blutbad in der bundesdeutschen Nachkriegsgeschichte werden sollen – und die Geheimdienste waren mit von der Partie.

Am 4. September 2007 gelang der legendären Antiterroreinheit GSG-9 ein spektakulärer Zugriff: Im idyllischen Sauerland wurden drei junge Männer festgenommen. Das Trio soll nichts weniger geplant haben als eine Wiederholung von 9/11: »Massenmord – wie damals am 11. September und am liebsten zum Jahrestag oder kurz danach, das, so glauben die Fahnder, war sein Plan«, fasste eine Sondersendung des ZDF kurz darauf zusammen.

Mittlerweile ist klar, dass die Gruppe – zwei zum Islam konvertierte Deutsche und ein Türke – von Anfang an von den Geheimdiensten inflitriert waren. Die Online-Ausgabe des »Stern« meldete am Mittwoch: »Ein pfälzischer Kontaktmann des amerikanischen Geheimdienstes CIA war nach Informationen aus Sicherheitskreisen bei der Planung des mutmaßlich größten islamistischen Terroranschlags auf deutschem Boden beteiligt.«

Nach Recherchen des »Stern« in »Sicherheitskreisen« soll der CIA-Mann 20 Zünder, versteckt in Schuhabsätzen, am 26. August vergangenen Jahres in Istanbul einem Kurier übergeben haben, der die heiße Konterbande dann nach Braunschweig brachte und dem angeblichen Rädelsführer des Trios, Fritz Gelowicz, aushändigte.

»Mevlüt K., ein 29-jähriger Türke aus Ludwigshafen, ist deutschen Ermittlern als ›Obeida, der Türke‹ bereits seit 1997 bekannt. (...) Im August 2002 ist Mevlüt K. auf dem Flughafen von Ankara festgenommen worden und saß bis November 2003 in Haft. Vermutlich ist er in dieser Zeit von der CIA angeworben worden und war nun auf die so genannte Sauerland-Gruppe um Fritz Gelowicz angesetzt,« resümiert der »Stern«.

Der »Spiegel« berichtete zu Wochenanfang, die deutsche Polizei habe außerdem zwei V-Leute im Umfeld von Gelowiczs Kumpan Daniel Schneider platzieren können. Einer habe im Jahr 2007 sechs Wochen in einer Wohngemeinschaft gelebt, in der sich auch dieser »aufgehalten« habe, und »Details über dessen Tagesablauf und seinen Laptop an die Behörden weitergegeben«.

Weitgehend unberücksichtigt bleibt in der Berichterstattung die Rolle des Masterminds hinter dem Sauerland-Trio, des Ulmer Hasspedigers Yehia Yousif. Er hatte Fritz Gelowicz für den Dschihad rekrutiert und sich im Jahr 2004 ins Ausland abgesetzt. Doch auch von dort aus dirigierte er seine Schützlinge bis zu ihrer Verhaftung. »Yousif zieht nach wie vor die Fäden, auch im Hintergrund«, äußerte Johannes Schmalzl, Direktor des Verfassungsschutzes Baden-Württemberg, noch im September 2007.

Was Schmalzl nicht erwähnte: Besagter Drahtzieher Yousif war mindestens sechs Jahre lang Mitarbeiter seiner Behörde, von 1996 bis 2002. »Neues Deutschland« liegt die Kopie einer entsprechenden Bestätigung des Verfassungsschutzes vor. Vom Bundeskriminalamt war der Stuttgarter Behörde vorgehalten worden, Yousif auch über diesen Zeitraum hinaus eingesetzt zu haben. Fakt ist jedenfalls, dass man den Hasspediger abtauchen ließ, obwohl er sich im relativ überschaubaren Ulm offen bewegte, und dass kein Auslieferungsersuchen an sein derzeitiges Gastland Saudi-Arabien gestellt wurde.

Nicht die CIA, sondern die IJU habe die drei Terrorlehrlinge zum Bomben geschickt, behauptet die Bundesanwaltschaft in ihrer Anklageschrift. Das Kürzel steht für Islamische Dschihad-Union, und die soll derzeit in Afghanistan Anschläge gegen Deutsche vorbereiten. IJU-Führungsoffizier für Gelowicz und Co. soll nach nicht überprüfbaren Kolportagen des ZDF ein gewisser Gofir Salimov gewesen sein, der in der iranischen Grenzstadt Zaidan residiere. Sollte die IJU also demnächst zuschlagen, könnte die Bundeswehr für ihren Einsatz fern der Grenzen neue Legitimität reklamieren: Das Vaterland müsse eben gegen den IJU-Terror verteidigt werden, am Hindukusch und auch am Golf.

Mehr zum Thema am kommenden Mittwoch (17.9.) bei der Buchpremiere von »Terrorziel Europa« im ND-Verlagsgebäude, 19 Uhr

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