Ramadan am Flughafen

Cochstedt droht endgültig das Aus – wieder einmal

  • Hendrik Lasch, Magdeburg
  • Lesedauer: 3 Min.
Für 60 Millionen Euro wurde in Sachsen-Anhalt ein schöner Flughafen gebaut. Genutzt wird er kaum. Während der Wirtschaftsminister weiter auf Investoren hofft, reißt nun dem Finanzminister der Geduldsfaden.

Ende August war in Cochstedt richtig was los. Alle Viertelstunde startete ein Flugzeug. Allerdings waren die Maschinen klein und erhoben sich nur für ein paar Loopings: Auf dem Flugplatz in Sachsen-Anhalt fand die Deutsche Meisterschaft im Kunstflug statt – nicht unbedingt das, wofür Coch-stedt ausgelegt ist.

Auf einem früheren sowjetischen Fliegerhorst war in den 90er Jahren vielmehr ein »Gewerbegebiet mit Landebahn« geplant worden – letztere 3000 Meter lang und für einen Betrieb rund um die Uhr ausgelegt. Es reiften Träume von Frachttransportern, Chartermaschinen oder einer Billigflieger-Drehscheibe.

Finanzminister gibt Gnadenfrist

Stattdessen aber siecht der Flugplatz vor sich hin, und momentan sieht es wieder einmal so aus, als habe sein letztes Stündlein geschlagen. Bis Ende des Jahres laufe die Gnadenfrist, erklärte Finanzminister Jens Bullerjahn (SPD) kürzlich. Entweder gebe es dann eine Lösung, oder Cochstedt werde »geschlossen und ab 2009 nur noch als Gewerbegebiet genutzt«, zitiert ihn die „Mitteldeutsche Zeitung“ (MZ).

Ob die Regierung den Todesstoß tatsächlich übers Herz brächte, bleibt abzuwarten. Schon vor einem Jahr hieß es, das Ende sei nah – im Koalitionsvertrag hatten CDU und SPD vereinbart, bis Juni 2007 nach Investoren zu suchen und ansonsten zur Notlandung anzusetzen. Jetzt wirbt Wirtschaftsminister Rainer Haseloff (CDU) immer noch um Betreiber. Es gebe »Verhandlungen mit drei Investoren«, die »sehr begründete Aussichten auf Erfolg« hätten, sagt seine Sprecherin Beate Hagen dem ND. Die Interessenten kämen »aus dem arabischen Raum«, fügt sie hinzu; bis Ende des Jahres soll der Vertrag unter Dach und Fach sein.

Ähnlich äußert sich das Ministerium freilich schon seit Monaten. Bereits im März hieß es, ein Verkauf stehe vor der Tür. Passiert ist bis heute nichts. Auch jetzt seien die Aktivitäten vorübergehend ein wenig erlahmt, gesteht Staatssekretär Detlef Schubert – in der Heimat der potenziellen Käufer sei eben Ramadan. Selbst in der Koalition bewirken solche Erklärungsversuche mittlerweile nur noch Häme. SPD-Fraktionschefin Katrin Budde wird von der MZ mit der Einschätzung zitiert, ihr scheine, im Wirtschaftsministerium sei »seit sechs Jahren Ramadan«.

Haseloff dürften derlei Frotzeleien kaum erheitern. Der Minister verweist auf 60 Millionen Euro von Land und Bund, die in den 90er Jahren in den Ausbau gesteckt wurden. Dessen Ausstattung entspricht denn auch dem allerletzten Stand der Technik.

Nie eine wirklich zündende Idee

Abgehoben hat Cochstedt aber dennoch nie; die Betreibergesellschaft rutschte 2001 in die Pleite. Danach gab es viele originelle, aber nie eine wirklich zündende Idee, um den Airport an den Mann zu bringen. Und während Haseloff noch immer appelliert, es müsse jede politische Kraft im Land ein Interesse an einem Verkauf haben, fordert der linke Landtagsabgeordnete Frank Thiel, man solle »den Laden endlich dicht machen«, statt »verzweifelt nach einem letzten Strohhalm zu greifen«.

Derlei Defätismus kommt bei den Cochstedt-Befürwortern schlecht an. Sie belegen mit Zahlen, dass es aufwärts geht – wenn auch ganz, ganz langsam. 2006 gab es auf dem Flughafen 339 Starts und Landungen, 2007 schon 1936. Das sind immerhin fünf am Tag, bei denen durchschnittlich drei Passagiere verzeichnet wurden. Und da sind die Kunstflieger wahrscheinlich noch gar nicht mitgerechnet.

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