nd-aktuell.de / 02.10.2008 / Sport / Seite 16

An der Wiege von Go und Schach

1. Weltspiele des Denksports beginnen morgen in Peking

Rund 3000 Teilnehmer aus über 100 Nationen sind ab morgen bis zum 18. Oktober in Peking bei den 1. Weltspielen des Denksports, den 1st World Mind Sports Games, dabei. Im International Convention Center geht es um 35 Goldmedaillen in den verschiedensten Versionen von Go, Schach, Dame und Bridge. ND-Autor ART KOHR sprach mit der chinesischen Autorin HEFEI HUANG (40) über die Volksrepublik als Land der Spielkultur.
Hefei Huag
Hefei Huag

ND: Welcher Stellenwert kommt strategischen Brettspielen in der chinesischen Gesellschaft zu?
HEFEI HUANG: Brettspiel gehört zu den vier klassischen chinesischen Künsten, neben Musik, Malen und Kalligrafie. Schon Konfuzius hat gemahnt: »Liubo und WeiQi zu spielen ist besser, als sich dem Müßiggang hinzugeben.« Dieses Liubo ist ein sehr altes strategisches Würfelspiel aus dem Reich der Mitte, und WeiQi ist die chinesische Form des Go.

Demnach ist Spiel in China mehr als einfach Zeitvertreib?
Richtig. Intelligentes Spiel gilt als gutes Gehirntraining, und wir Chinesen nutzen dafür gern unsere Freizeit. Selbst ein großer Historiker wie Sima Guang, der 1084 das monumentale Werk »Zizhi Tongjia«, auf deutsch ungefähr: »Zusammengefasster Zeitspiegel zur Hilfe in der Regierung«, veröffentlichte, hat sich erfolgreich als Spielerfinder versucht. Er ersann eine Schachversion, das Qiquo Xiangqi, für sieben Spieler, die die Zeit der Streitenden Reiche symbolisierte.

Auch das Go soll vor rund 4000 Jahren in China erfunden worden sein. Dann ist es wohl nur konsequent, dass die 1. Weltspiele des Denksports genau dort starten.
Ohne überheblich klingen zu wollen: Ich glaube ja.

In der originär chinesischen Schachvariante Xiangqi sind in Peking fünf Goldmedaillen zu gewinnen. In welchem Verhältnis zueinander stehen aus chinesischer Sicht das heimische Xiangqi und das fernwestliche Schach der FIDE?
Für Chinesen ist das Xiangqi als ihr traditionelles Spiel ein hohes Kulturgut. Das Schach der FIDE wird als Import aus Europa und als reiner Denksport ohne besondere kulturelle Konnotation betrachtet.

Chinesische Experten behaupten, das Xiangqi sei älter als die um 450 entstandene indische Urform des FIDE-Schachs. Gibt es dafür denn Belege?
Verschiedene Quellen deuten tatsächlich darauf hin, dass die Ursprünge des Xiangqi tatsächlich bis in die Zeit der Streitenden Reiche vor rund 2200 Jahren zurückreichen. So ist die Gestaltung des Brettes mit den Parteien Rot und Schwarz, die von einem Grenzfluss getrennt werden, eine Reverenz an die historische Rivalität zwischen den Teilreichen Han und Chu, deren Waffenfarben rot und schwarz waren.

Ist eine Partie Chinaschach auch heute noch von einem solchen Mantel der Geschichte umweht?
In gewisser Weise schon, obwohl wir natürlich direkt beim Spielen kaum an die fernere Geschichte denken.

Und an die jüngere?
An die natürlich auch nicht. Obwohl es auch hier Interessantes gibt. Man denke nur an die wichtigen Persönlichkeiten jüngerer Zeit, die ausgewiesene Fans des Chinaschachs waren: Sun Yat-sen, Tschiang Kai-schek, Mao Tse-tung, Tschou En-lai, Deng Xiaoping ...

Anders als beim Go haben Nichtasiaten mit dem fernöstlichen Schach ein ganz vordergründiges Zugangsproblem: Es gibt keine unterschiedliche Figuren, sondern nur runde Steine mit chinesischen Schriftzeichen.
Wenn sich Ihnen dann aber erst die Schönheit der Schriftzeichen erschließt, bekommen Sie vielleicht sogar Zugang zur chinesischen Sprache.

Chinaschach als Einstieg ins Chinesische?
Ja, und nebenbei funktioniert Xiangqi, wenn Sie in die Volksrepublik reisen, wie ein nonverbaler Kommunikator. Viele Chinesen spielen gern draußen Xiangqi, einfach auf der Straße, im Park. Wenn Sie die Menschen ansprechen und zu verstehen geben, dass Sie die Regeln kennen, gewinnen Sie schnell viele Sympathien. Denn die Chinesen glauben, dass es für einen Ausländer sehr schwer ist, Xiangqi spielen zu können.

Sie, Frau Huang, haben zusammen mit Ihrem Ehemann und Co-Autor Dieter Ziethen ein Lehrbuch zum Chinesischen verfasst, von dem Sie sagen, dass es innovativ sei. Was ist das Neue daran?
Wir bieten ein Paket aus Lehrbuch, Arbeitsbuch und CD an. Anders als meist üblich arbeiten wir sofort mit chinesischen Schriftzeichen, die geschrieben und gelesen werden. Dadurch lernen die Schüler die Schönheit der Kanji und der chinesischen Philosophie. Gleichzeitig sollen die Studenten das Sprechen üben, um ein Gefühl für die Sprache zu bekommen. Bald können sie fließend formulieren.

Weitere Infos zu 1st World Mind Sports Games: www.2008wmsg.[1] org/en.

Weitere Infos zum Lernpaket »Unvergessliches Chinesisch« (124 S. inkl. Arbeitsbuch und CD, 18,90 Euro), bei: Hefei Huang Verlag, Osterseestraße 50 a, 82194 Gröbenzell; Tel.: (08142) 46 58 260; www.huang-verlag.de[2]

Links:

  1. http://www.2008wmsg.
  2. http://www.huang-verlag.de