Sinnes Wandel oder Täuschung?

Banker wollen das frische Geld nicht annehmen

  • Dieter Janke
  • Lesedauer: 2 Min.

Bundesfinanzminister Steinbrück versteht die Welt nicht mehr. In Rekordzeit hat die Bundesregierung ein Rettungspaket für die deutschen Banken in dreistelliger Milliardenhöhe auf den Weg gebracht, weil ansonsten der Kollaps der ganzen Branche mit kaum vorstellbaren Folgen für die gesamte Volkswirtschaft zu befürchten war, aber nun will außer ein paar Landesbanken kaum jemand das frische Geld haben. Obwohl sich die Diagnose für die Kreditwirtschaft nicht geändert hat. Der oberste Kassenwart muss förmlich betteln und hintergründig sogar ein wenig drohen, damit sich die nachweislich der Hilfe Bedürftigen auch wirklich helfen lassen. Wohl nicht gänzlich zu Unrecht mutmaßt Steinbrück, das eigene Salär liegt den Bankern näher als die Zukunft ihrer Häuser. Das, so meint er, müssten die »dann mal der Öffentlichkeit erklären«.

Doch nicht nur Peer Steinbrück ist ratlos, auch so mancher Beobachter der wirtschaftlichen Entwicklung sieht das eigene Weltbild in den Grundfesten erschüttert, wenn aus dem Munde eines ansonsten beinharten Marktanbeters heftige Kritik an dem Freiwilligkeitsprinzip des Bankenrettungsschirmes zu vernehmen ist. Oder ist es Sinnestäuschung, wenn ausgerechnet der Chef des Münchner Ifo-Institutes, Hans-Werner Sinn, moniert, dass angeschlagene Geldhäuser im Zweifelsfall zwangsbeglückt werden müssten? Alles andere sei von Grund auf gefährlich und könne direkt in die Kreditklemme führen, legt er den Finger auf die offene Wunde und verweist auf die Praktiken in den USA und Großbritannien. Sinnes Wandel vom Saulus zum Paulus, vom Staatsverteufler zum Staatsanbeter? Wohl kaum! Vielmehr scheint die Schizophrenie, die der Zurückhaltung der Banker zugrunde liegt, so offenkundig zu sein, dass selbst ein Prophet der Selbstheilungskraft des Marktes inzwischen lieber den Arzt ruft. Ist der Therapie Erfolg beschieden und der Patient geheilt, so Sinns mutmaßliches Kalkül, kann der auch wieder unters Volk gelassen werden.

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