Machtkämpfe in Venezuela

Spannungen im Regierungslager vor Regionalwahlen im November

  • Harald Neuber
  • Lesedauer: 3 Min.
Einen Monat vor den Regionalwahlen liegen in Venezuela die Nerven blank. Für das Regierungslager und die Opposition gilt die Abstimmung gleichermaßen als Bewährungsprobe – mehr denn je zuvor.

Konnte sich Venezuelas Präsident Hugo Chávez in den vergangenen Jahren noch auf ein starkes Zusammengehörigkeitsgefühl und eine Aufbruchstimmung verlassen, ist es zuletzt zu offenen Differenzen zwischen den Parteien und Gruppierungen des »Chavismus« gekommen. Die weitgehend zersplitterte Opposition hofft indes auf eine neuerliche Etablierung im Parteiensystem.

Am 23. November werden nicht nur 22 Gouverneure und zwei Bürgermeister für den Hauptstadt-Distrikt Caracas bestimmt. Zur Wahl stehen auch rund 320 Bürgermeister und die Abgeordneten der bundesstaatlichen Parlamente.

Die andauernden Differenzen im Regierungslager hängen unmittelbar mit der Gründung der Vereinten Sozialistischen Partei Venezuelas (PSUV) Anfang dieses Jahres zusammen. Zunächst hatte die rechtssozialdemokratische Partei Podemos mit Chávez gebrochen, nachdem der Staatschef seine Koalitionäre zur Auflösung und Eingliederung in die PSUV gedrängt hatte. Auch wenn die Kommunistische Partei Venezuelas (PCV) und die sozialdemokratische PPT (Vaterland für Alle) als unabhängige Partner weiter hinter der neuen Regierungspartei stehen, unterstützen sie nicht alle Kandidaten der PSUV. In sechs Bundesstaaten haben sie eigene Bewerber ins Rennen geschickt. Auch wenn die Mehrheit des Regierungslagers nicht in Frage steht, wird sich am 23. November zeigen, wie erfolgreich das politische Einheitsprojekt ist.

Präsident Chávez, der zugleich der PSUV vorsteht, reagierte wohl deswegen mit Verbalattacken auf die Politik von PCV und PPT. Wer die Regierungspartei nicht unterstütze, sei nicht nur »unloyal«, sondern sogar »konterrevolutionär«. Er werde sich dafür einsetzen, dass sowohl die Kommunistische Partei als auch die sozialdemokratische PPT »von der politischen Landkarte getilgt werden«, drohte Chávez Mitte des Monats bei einem Wahlkampfauftritt im nordwestlichen Bundesstaat Trujillo.

Auch wenn der Angriff offensichtlich mehr der Wahlkampfrhetorik als tatsächlichen politischen Differenzen geschuldet war, verteidigten sich die Adressaten umgehend. »Unsere Unterstützung für die PSUV ist nicht willkürlich, sondern strategisch«, sagte PPT-Generalsekretär José Albornoz. Ähnlich äußerte sich PCV-Generalsekretär Oscar Figuera. Zwar teile man mit der PSUV die antiimperialistische Haltung, »aber das ist nicht genug für uns«. Niemand könne behaupten, dass etwa der Gouverneur des Bundesstaates Bolívar »revolutionärer ist als wir«, sagte Figuera. Der PSUV-Politiker Francisco Rangel war in den vergangenen Jahren mehrfach mit Basisgruppen in Konflikt geraten.

Die rechtsgerichtete Opposition hofft indes darauf, wieder in der politischen Landschaft Fuß zu fassen. Denn während die traditionellen Parteien Copei (christdemokratisch) und AD (sozialdemokratisch) kaum noch Einfluss haben, konnten auch jüngere Gruppierungen bislang keine größere Unterstützung mobilisieren. Verheerend für die Rechte wirkt sich nach wie vor ihr Boykott der Wahlen zur Nationalversammlung 2005 aus. Weil die nächsten Parlamentswahlen erst 2010 stattfinden, hoffen sie nun auf regionale Verankerung.

Unterstützung bekommt sie dabei von privaten Medienkonzernen, die Kritikern der Regierung überdurchschnittlich viel Sendeplatz einräumen, und aus dem Ausland. Die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) arbeitet nach eigenen Angaben nicht nur mit der Copei zusammen, sondern auch mit der rechtsgerichteten Gruppierung Primero Justicia. Diese Partei hatte im April 2002 einen Putschversuch gegen Chávez aktiv unterstützt. In einem Länderbericht zeigt sich der neue Leiter des KAS-Büros in Caracas, Georg Eickhoff, davon überzeugt, dass »die Konsolidierung der Partei wesentlich von dem Wahlerfolg« abhängt. Die KAS leiste über lokale Partner Bildungsarbeit, die laut Eickhoff »einen reibungslosen Betrieb und wachsende Akzeptanz« der Opposition gewährleiste.

Mehr als die Regierung hemmt die fehlende Einheit aber ihre Gegner. Im Bundesstaat Carabobo zum Beispiel unterstützen zwar 27 Organisationen die Kandidatur des Nachwuchspolitikers Henrique Salas Feo. Doch auf einen Kandidaten für das Bürgermeisteramt der Kapitale Valencia konnte man sich nicht einigen. Alleine in dieser Stadt bewerben sich drei Politiker der Opposition.

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