Rezession unausweichlich

Finanzkrise ist längst in der Realwirtschaft angekommen

  • Dieter Janke
  • Lesedauer: 3 Min.
Noch in den Sommermonaten überwogen die Hoffnungen, dass die realwirtschaftlichen Folgen der von den USA ausgegangenen Finanzkrise marginal bleiben könnten. Inzwischen kreisen die Debatten jedoch nicht mehr um die Frage, ob es zu einer Rezession kommt oder nicht, sondern nur noch um deren Dimensionen.

Die Stimmung in der bundesdeutschen Wirtschaft ist so schlecht wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Im Oktober sank das wichtigste Konjunkturbarometer, der Index des Münchner Ifo-Institutes, bereits das fünfte Mal in Folge. Nach Einschätzungen der Deutschen Bank steht Deutschland eine schwere Rezession bevor. So muss im kommenden Jahr mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung um 1,5 Prozent gerechnet werden. Das Wirtschaftswachstum der Industrieländer wird voraussichtlich auf den niedrigsten Stand seit der Weltwirtschaftskrise von 1929/32 zurückgehen, weltweit rechnen die Analysten der Deutschen Bank mit einem Wachstum von 1,2 Prozent.

Für die exportabhängige Bundesrepublik wird das mit besonders gravierenden Einschnitten verbunden sein, wie sich bereits jetzt an der Drosselung der Produktion in der Automobilbranche zeigt. »Die Gemengelage aus Finanz- und Immobilienkrise lastet auf der wirtschaftlichen Entwicklung der wichtigsten deutschen Handelspartner und trübt so die deutschen Exportperspektiven«, schätzt Andreas Scheuerle, Europa-Chefvolkswirt der Dekabank.

Signifikant für die Konjunkturaussichten ist die Lage an den Rohstoffmärkten. Hier ist die spekulativ begründete Preisblase einer Phase des allgemeinen Preisverfalls, vor allem bei Öl, Energie und Erzen, gewichen. Eine solche geht normalerweise dem allgemeinen Wirtschaftsabschwung voraus und lässt Rückschlüsse auf dessen Ausmaß zu. »Wie gewöhnlich ist der Rohstoffindex dem Konsum voraus und signalisiert, wie stark und wie lang diese weltweite Rezession sein wird«, erklärt Lakshman Achuthan, Direktor am Economic Cycle Research Institute in New York. Er geht davon aus, dass die Abschwächung in den USA 16 Monate dauern und auch weltweit zu einer geringeren Wirtschaftsdynamik führen wird.

Wie angeschlagen die weltgrößte Volkswirtschaft derzeit bereits ist, zeigt der Index der Auftragseingänge. Dieser wichtige Frühindikator ging im vergangenen Monat um 6,6 Prozentpunkte zurück. Gleichzeitig brachen der Produktionsindex um 6,7 und der Beschäftigungsindex um 7,2 Prozentpunkte ein. Der Preisindex gab zur gleichen Zeit sogar um 16,5 Prozentpunkte nach. Für das US-Wirtschaftswachstum ergibt sich im dritten Quartal ein Minus von 0,3 Prozent. Achuthan schätzt, dass man sich auf eine viel tiefere Rezession einstellen müsse als noch 2001: »Es wird mindestens so schlimm werden wie Anfang der achtziger Jahre, vielleicht sogar noch schlimmer.«

Obwohl für das abgelaufene dritte Quartal noch keine Angaben zur Wirtschaftsleistung der Bundesrepublik vorliegen, erwarten Analysten negative Daten und im besten Fall eine Stagnation. Im zweiten Quartal war die deutsche Wirtschaft bereits um 0,5 Prozent geschrumpft. Für das vierte Quartal sehen die Analysten schwarz: »Die Wirtschaft wird im Winterhalbjahr wohl schrumpfen«, schätzt Ralph Solveen von der Commerzbank und prognostiziert, dass auch im nächsten Jahr mit einer spürbaren Belebung »nicht zu rechnen« sei.

Ähnlich pessimistisch ist auch die Prognose von Holger Schmieding von der Bank of America: »Deutschland steuert auf eine schwere Rezession zu. Sie dürfte nicht vor Mitte 2009 enden. Ein deutlicher Anstieg der Arbeitslosigkeit und der öffentlichen Defizite scheint nun unausweichlich.« Auch Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt räumt inzwischen gegenüber dem »Hamburger Abendblatt« ein, »dass es zu einem Abbau von Arbeitsplätzen kommen wird«. Im günstigsten Fall, so Hundt weiter, lasse sich das derzeitige Beschäftigungsniveau halten.

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