Enteignung ohne Entschädigung

Ostdeutsche Garageneigentümer fordern besseren gesetzlichen Schutz

  • Helmut Schenk
  • Lesedauer: 3 Min.
Für viele Ostdeutsche bleibt es fast 20 Jahre nach der politischen Wende ein Problem: Die auf gepachtetem Grund von ihnen zu DDR-Zeiten gebauten Garagen können ohne Entschädigung ins Eigentum des Grundstückseigentümers fallen, wenn der Pachtvertrag gekündigt wird.

Von entschädigungsloser Enteignung sind in Thüringen Garagen-eigentümer zunehmend betroffen. Nach der Novelle des Schuldrechtsanpassungsgesetzes wurde die Investitionsschutzfrist für vertraglich genutzte Garagenstandplätze zum 31. Dezember 2006 beendet. Ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1999 hatte die Garagen auf fremdem Grund als wenig schutzbedürftig eingestuft. Bis Ende 2006 erfolgte eine Entschädigung in Höhe des Zeitwertes. Ab 2007 besteht dieser Anspruch nur bei Verkehrswerterhöhung des Grundstücks durch die Bebauung, was meist umgangen wird.

Etwa 10 000 Garageneigentümer aus den neuen Bundesländern, vor allem aus Sachsen und Thüringen, hatten in Petitionen an den Bundestag eine Gesetzesänderung beantragt, um diese Möglichkeit abzuwenden. Die meisten Garageneigentümer sind ältere Menschen, die hohe Kosten für Gutachten und Klagen nicht aufbringen können. Der Bundestag hat in einem Beschluss vom März 2008 die Petition zurückgewiesen. Und dies mit der Begründung, dem Nutzerschutz sei mit den geltenden Regelungen Rechnung getragen.

Doch die Tatsachen zeigen das Gegenteil. In Erfurt wurden durch die Stadt bisher mehr als 20 Garagen in städtisches Eigentum übernommen. Der überwiegende Teil wurde für 40 bis 60 Euro monatlich vermietet. Das bisherige Nutzungsentgelt betrug 92 Euro im Jahr. In keinem Falle wurde Entschädigung gezahlt. Die Kommunale Wohnungsgesellschaft erklärt sogar, eine Verkehrswerterhöhung des Grundstücks sei nicht erkennbar. Doch nach der Ertragswertmethode berechnet, ist eine Entschädigung von 1500 bis 2000 Euro für den Nutzer durchaus angemessen. In der Regel liegt die Restnutzungsdauer massiv gebauter Garagen bei 20 bis 30 Jahre.

Die städtische Wohnungsgesellschaft Eisenach erhöht das Nutzungsentgelt für Garagen von 60 auf bis zu 220 Euro pro Jahr und droht bei Nichtzahlung mit Kündigung des Pachtvertrages. Ähnlich geschieht es in der Carl-Zeiss-Siedlung Jena. Zahlreiche Kommunen stimmen einem Garagenverkauf an andere Nutzer nicht zu und bestehen auf dem im Gesetz festgelegten Eigentumsübergang. Viele, vor allem private Grundstückseigentümer, gehen davon aus, dass die Garagen nunmehr automatisch ihnen gehören, was nicht stimmt. Entschädigungsansprüche werden zurückgewiesen oder gar nicht erwogen.

Ein ausreichender Nutzerschutz ist also nicht gewährleistet. Der VDGN wird Musterklagen unterstützen, kann aber allein das Problem nicht lösen. Die beträchtlichen Vermögenswerte verdienten einen stärkeren gesetzlichen Schutz. Die in vielen Thüringer Städten bestehenden Interessengemeinschaften von Garageneigentümern sind sich einig: Die Abgeordneten von Union, SPD, FDP und Grünen sollten ihre Entscheidung überdenken und nach Wegen suchen, wie der Entwicklung entgegengewirkt werden kann. Die Linksfraktion im Bundestag hatte einen entsprechenden Entwurf zur Änderung des Schuldrechtsanpassungsgesetzes mit Lösungsvorschlägen eingebracht. Er wurde aber abgelehnt.

Ich wandte mich im Sommer dieses Jahres wiederum mit Schreiben an alle Fraktionsvorsitzenden im Bundestag und im Thüringer Landtag, den Nutzerschutz zu verbessern und die ungerechtfertigte »Schenkung« fremder Sachwerte – der Garagen – an die Grundstückseigentümer auszuschließen. Sowohl die Vertreter der CDU/CSU, der SPD als auch der FDP sehen in ihren Antwortschreiben jedoch keinen Handlungsbedarf. »Für weitere Verbesserungen besteht unter Beachtung der verfassungsrechtlichen Vorgaben kein Spielraum mehr«, verlautet es aus der FDP.

Helmut Schenk ist Leiter der Thüringer Beratungsstelle des Verbandes Deutscher Grundstücksnutzer (VDGN ).

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