Ideen aus dem Wohnzimmer

Gerwald Rockenschaub gestaltete die Außenwände der Temporären Kunsthalle

  • Andreas Heinz
  • Lesedauer: 3 Min.
Gerwald Rockenschaub vor dem von ihm gewählten »weißesten Weiß« an der Kunsthalle.
Gerwald Rockenschaub vor dem von ihm gewählten »weißesten Weiß« an der Kunsthalle.

Sein neuestes Kunstwerk erreicht Gerwald Rockenschaub in fünf Minuten zu Fuß. Der gebürtige Österreicher hat seine privaten Zelte gleich hinter dem Roten Rathaus aufgeschlagen und gestaltete die Außenhaut der Temporären Kunsthalle auf dem Schloßplatz in Mitte. »Ich lebe schon seit zehn Jahren in diesem Bezirk und werde auch nicht wegziehen«, erzählt der 56-jährige Linzer.

Den Installationskünstler Rockenschaub zog es aus Wien nach Berlin. »Ich hatte hier schon diverse Projekte und fühlte mich gleich sehr wohl«, erklärt er seinen Umzug von der Donau an die Spree. »Das war eine Summe von Faktoren.« Ein Atelier fand Rockenschaub in der Invalidenstraße. »Da komme ich zur Not auch zu Fuß hin.« Denn dort, wo er wohnt, kommt der Mensch auf vier Rädern schlecht voran, ist ihm mittlerweile aufgefallen. »In der Gegend ums Rathaus ist fast jeden Tag eine Demonstration. Wenn ich mit dem Taxi zum Flughafen will, muss ich große Umwege fahren. Das passiert in Wien nicht.«

Seine Arbeitsstätte beschreibt Gerwald Rockenschaub so: »Eher ein Büro, ein Arbeitswohnzimmer als ein Atelier im klassischen Sinn. Ich brauche ja auch keine riesigen Räume und auch nicht viele Mitarbeiter. Die Ideen zur Installation können überall entstehen und so habe ich nur eine Assistentin. Die Werke selbst lasse ich in Werkstätten anfertigen.« Bevorzugte Materialien hat er nicht, aber »oft arbeite ich mit Plexiglas oder Holz«. In der Berlinischen Galerie ließ er auch Vorhänge aus Stoff flattern.

In Berlin ist Rockenschaub oft in der Galerie Mehdi Chouakri in der Invalidenstraße zu Gast. Die Galerien Vera Munro in Hamburg und Georg Kargl (Wien) gehören zu seinen Stamm-Ausstellungsorten. 1993 bespielte Rockenschaub mit Andrea Fraser und Christian Philipp Müller den Österreichischen Pavillon der Biennale von Venedig. Bei der internationalen New Yorker Kunstmesse Armory Show war er ebenso zu sehen wie bei der documenta 2007 in Kassel.

In den 1990er Jahren legte der Oberösterreicher als professioneller Discjockey auf. Als Techno-DJ und Musiker gründete er 1995 mit Michael Meinhart den Club »the audioroom« in Wien. »An erster Stelle stand aber immer die Kunst«, berichtet er in der Kunsthalle. Rockenschaub wurde von dem Wiener Architekten Prof. Adolf Krischanitz gebeten, einen künstlerischen Entwurf für die Außengestaltung der Halle zu entwickeln.

»Die Halle musste ein Hingucker werden«, erläutert er. Schnittstelle zwischen zeitgenössischer Kunst und Werbung. Die Kritik, die Kunsthalle füge sich optisch nicht in die historische Umgebung wie Berliner Dom und Humboldt-Universität ein, kann Rockenschaub nicht verstehen. »Der Bruch ist bewusst. Das Gebäude soll natürlich auffallen und Neugier erzeugen. Gleichzeitig soll zu erkennen sein, dass die Halle nur zwei Jahre hier stehen wird. Deshalb sind die Fugen zwischen den Wandplatten auch sichtbar.« Sie brechen den architektonischen Körper, das Gebäude wirkt provisorischer. Damit der Bau hervorsticht, wählte der Künstler auch »das weißeste Weiß« und das »blaueste Blau«, das es gibt. »Cyan« heiße dieses tiefe Blau in der Fachsprache, erläutert er.

Rockenschaub studierte Geschichte, Pädagogik, Psychologie und Philosophie an der Universität Wien und ab 1982 bei Prof. Herbert Tasquil an der Wiener Hochschule für Angewandte Kunst. 1984 gab es erste Einzelausstellungen seiner Arbeiten bei Otto Mauer in der Wiener »Galerie nächst St. Stephan«.

www.kunsthalle-berlin.com

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