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Ein 68er Ulk

André Müller sen.: »Am Rubikon«

  • Christel Berger
  • Lesedauer: 2 Min.

Vor vierzig Jahren, als die »ungewaschenen Ganz-Linken« mit Demonstrationen, klassenkämpferischen Sprüchen und viel Klamauk von sich reden machten, haben sich die anderen Ganz-Linken – die alten, gewaschenen – wohl sehr über diese, ihrer Meinung nach falschen Linken, die der ganzen Bewegung mehr schadeten als nützten, geärgert. André Müller sen. gehörte und gehört noch zu den gewaschenen.

Nun hat er einen Roman geschrieben, in dem er seinen damaligen Ärger in eine Geschichte und Geschichten packt, die sich über die sonst so viel gerühmten 68er lustig machen. Ein Kleinbetrüger zieht in die Kommune V ein. Allesamt sind sie Bürgerkinder, die keine Lust zum Studium haben, Sprüche klopfen und sich nicht waschen. Der Radikalste von ihnen ist ein Polizeispitzel.

Kein Wunder, dass da Kurioses passiert. Man lässt sich vom gewieften Betrüger sexuell, mental und finanziell um den Finger wickeln. Beinahe passiert noch ein Bombenattentat, doch Spion Bodo und der Kriminaler Biermann (so heißt er wirklich!) vermasseln das Ganze, und letztlich wird auch noch der Betrüger von einem noch Cleveren betrogen.

Der Vorspruch lautet: »Kritiker: Aber es ist alles erfunden! Autor: Wahr! Wahr!«, und so hüte ich mich hier zu zweifeln, wie authentisch das Ganze ist. Auf alle Fälle ist es lustig und nicht ohne Hintersinn und Wahrheit, denn manche Reden der Kommunarden sind so hanebüchen, dass sie kaum nur Fiktion sein können.

Die meisten Szenen aber sind kurios erfunden, etwa wie Bodo nach heimlich genossenem Bad die Wanne wieder verunreinigt oder wenn der Betrüger Stefan Heyer von seiner Arbeit als Beleuchter bei Brecht erzählt.

Frühere »Ungewaschene« mögen toben, dass alles doch ganz anders war und die Verdienste geleugnet werden. »Wahr! Wahr!« heißt wieder die Antwort. Doch darf die Satire, wie wir spätestens von Tucholsky wissen, eigentlich nicht alles? Und haben wir – besonders in diesem Jahr – von den Ruhmestaten und »der Rolle der Bedeutung« der 68er nicht schon allzu viel an gebildeter und ernsthafter Lektüre genossen?

André Müller sen. trifft sie da, wo sie (und wir alle) am empfindlichsten sind. Er »rächt« sich mit Humor.

André Müller sen.: Am Rubikon. Roman. Verlag André Thiele. 300 S., brosch., 14,90 EUR.

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