Partei-Joker

Josef Pröll / Der 40-jährige ist neuer ÖVP-Obmann und wird Vizekanzler Österreichs

  • Mark Wolter
  • Lesedauer: 2 Min.

Mit der Wahl am Freitag in Wels ist Josef Pröll als 14. Parteichef der Österreichischen Volkspartei der jüngste Obmann der ÖVP – sicher aber nicht der beneidenswerteste: Als Vizekanzler und Finanzminister der von ihm vereinbarten Wiederauflage der rot-schwarzen Koalition mit der sozialdemokratischen SPÖ wartet auf den 40-Jährigen eine unangenehme Aufgabe. Denn selten wurde ein Regierungsbündnis derart abgestraft wie das zerstrittene von SPÖ und ÖVP bei den Wahlen im September, als die rechtspopulistischen Parteien FPÖ und BZÖ auftrumpfen konnten und die ÖVP mit 26 Prozent ihr historisch schlechtestes Wahlergebnis erzielte.

Für die schwer angeschlagene Volkspartei ist Josef Pröll so etwas wie der Feuerwehrmann, der letzte Partei-Joker nach dem Abtreten von Wolfgang Schüssel und dem bisherigen Obmann Wilhelm Molterer. Prölls politischer Aufstieg begann 2003, als der damalige Kanzler Schüssel den studierten Landwirt völlig überraschend in die Regierung holte und ihm das Umwelt- und Landwirtschaftsressort übertrug – mit 34 Jahren als jüngster Minister. Bis dahin war der »Sepp«, wie er meist genannt wird, hauptsächlich als Direktor des Österreichischen Bauernbundes und Neffe von Onkel Erwin Pröll, dem Landeshauptmann Niederösterreichs, bekannt. Doch Pröll mauserte sich und machte sich mit Hilfe guter Kontakte zu den Medien schnell zum »Publikumsliebling« der Konservativen.

Der Sprung an die Spitze der ÖVP verlief für Pröll allerdings nicht so reibungslos. Seine Neuausrichtung der Partei, bei der er nahezu die gesamte alte Riege des früheren Bundeskanzlers Schüssel aus dem Weg räumte, sorgte ebenso für innerparteilichen Zwist wie die von ihm angestrebte Neuauflage der »abgewählten« Koalition mit der SPÖ, der einige Abgeordnete nicht zustimmten.

Die Chancen, dass die Koalition diesmal hält, stehen aber nicht schlecht, denn Pröll und der künftige SPÖ-Bundeskanzler Werner Faymann kommen persönlich miteinander aus. Beide gelten eher als pragmatisch denn als idealistisch, und beide wissen auch, dass ein gegenseitiges Beinstellen und ein Scheitern der Großen Koalition die radikalen rechten Parteien bei der nächsten Wahl noch stärker machen würden.

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