Schneeballschlacht am Bus

Bundesgerichtshof

  • Lesedauer: 2 Min.

Nach dem Schulunterricht warteten einige Schüler an einer 100 Meter von der Schule entfernten Haltestelle auf ihren Bus. Es war Winter, und es hatte gerade geschneit. Die Jugendlichen bewarfen sich mit Schneebällen. Dabei wurde ein 16-Jähriger am Auge verletzt. Für die Folgen kam die gesetzliche Unfallversicherung auf: 1400 Euro kostete die ärztliche Behandlung.

Anschließend verklagte der Unfallversicherungsträger den Unglückswurm, der zu scharf geschossen hatte, auf Schadenersatz. Begründung: Die Unfallversicherung müsse nur für Schulunfälle einstehen. Hier liege aber kein Schulunfall vor, denn er habe sich außerhalb des Schulgeländes ereignet. Also müsse der Mitschüler für die Folgen seiner Missetat haften. Dem widersprach der Bundesgerichtshof. Wenn sich Schüler gegenseitig verletzten, hafte grundsätzlich nicht der Übeltäter selbst – außer bei vorsätzlicher Körperverletzung, darum gehe es hier jedoch nicht. Das sei so geregelt, um den Schulfrieden zu wahren. In solchen Fällen müsse die gesetzliche Unfallversicherung einspringen – sofern der Unfall mit dem Schulbetrieb zusammenhänge. Darauf komme es an und nicht darauf, wo sich der Unfall ereigne.

Der Zusammenhang zwischen Schulbetrieb und Unfall sei im konkreten Fall zu bejahen: Rangeleien unter Schülern nach dem Unterricht beruhten unmittelbar auf dem engen schulischen Kontakt.

Die Anspannung durch den Schulbesuch – wo sich die Schüler lange konzentrieren und diszipliniert verhalten müssten – ende nicht mit dem Verlassen des Schulgebäudes. Sie könne sich auch danach noch entladen. Derartige Vorfälle an Bushaltestellen in der Nähe von Schulen seien geradezu typisch dafür. Für die Folgen der Schneeballschlacht hafte deshalb die gesetzliche Unfallversicherung, nicht der Werfer.

Urteil des Bundesgerichtshofs vom 15. Juli 2008 – VI ZR 212/07

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