Ähnliche Feindbilder

Vorurteilsforscher warnen vor Stigmatisierung von Muslimen

Das Zentrum für Antisemitismusforschung widmete sich in einer Konferenz dem Verhältnis von Antisemitismus und Islamfeindlichkeit.

Wolfgang Benz, renommierter Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung (ZfA), schwankte am Montag zwischen Ungläubigkeit und Entrüstung: Ausgerechnet ihm wird vorgeworfen, den Holocaust zu trivialisieren und Islamismus zu verharmlosen. Die scharfen Angriffe hat sich das Institut eingehandelt, weil es auf Gemeinsamkeiten zwischen Judenfeindschaft und Islamfeindschaft aufmerksam macht. Der Schwerpunkt des aktuellen Jahrbuchs Antisemitismus ist dieser Frage gewidmet, wie auch die eintägige Konferenz, die unter dem Titel »Feindbild Muslim – Feindbild Jude« in Berlin stattfand.

Dass Benz in seiner Eröffnungsrede überhaupt etwas zu den Vorwürfen sagte, liegt wohl an der recht erfolgreichen Öffentlichkeitsarbeit ihres Urhebers Matthias Küntzel, der unter Linken vor allem als Begründer der Antideutschen berühmt-berüchtigt ist. Verschiedene Medien hatten dessen Kritik aufgegriffen und deshalb bestand Benz bei der Tagung nachdrücklich darauf, dass es ihm weder um Gleichsetzung von Juden und Muslimen noch um Sympathieentzug für erstere gehe. Analogien gebe es aber in struktureller Hinsicht. »Islamfeinde arbeiten mit Stereotypen, die aus der Vorurteilsforschung zu Antisemitismus bekannt sind.« Das an der Technischen Universität Berlin angesiedelte Institut überträgt seit Jahren Instrumente aus der Antisemitismusforschung auf andere Vorurteile, wie die Publikationen über Roma, Behinderte oder Polen zeigen.

Die Wissenschaftler machen ihre Beobachtungen an den Debatten um Moscheebauten, Zwangsehen oder das Kopftuch fest, wie sie auf der Straße, aber auch in den Medien geführt werden. Benz entdeckt darin interessante Parallelen zu antisemitischen Mustern etwa im Werk von Johann Andreas Eisenmenger. Dieser hatte im 17. Jahrhundert aus dem Talmud abgeleitet, der Jude an sich sei schlecht, weil ihm seine Religion gebiete, unredlich und unsittlich gegenüber Nichtjuden zu sein. »Ich höre dasselbe neuerdings über Muslime, sagte der Historiker und verwies auf die vielen selbst ernannten Experten, die im Koran nach Belegen für ihre Vorurteile graben. »Alle Muslime stehen unter einem Generalverdacht« und sollten sich ständig von islamistischen Terroristen distanzieren, kritisierte er.

Die Vorurteilsforscher interpretieren die kollektive Ausgrenzung von Muslimen in Deutschland zum Teil mit ihrer allmählichen Integration. »Das Kopftuch der türkischen Putzfrau war noch kein Problem«, stellte Angelika Königseder provokant fest. Aufregung habe es erst gegeben, als Kopftuchträgerinnen in gesellschaftlich anerkannte Berufe strebten.

Trotz – bis zu einem gewissen Punkt – ähnlicher Diskriminierungserfahrungen ist Antisemitismus unter jungen Muslimen in Europa verbreitet. Die Stereotype unterscheiden sich nicht von ihren europäischen Vorlagen. Wohl aber die Motive, wie Juliane Wetzel vom ZfA analysiert. Die Wissenschaftler verweigern auch an diesem Punkt einfache Rückschlüsse auf die Religion. Demnach finden libanesische oder türkische Jugendliche in den Palästinensern ein Bild für ihre eigene Situation, in der sie sich als Opfer fühlen. Israel und »die Juden« werden so zum Sündenbock für ihre Unzufriedenheit. Aus dieser Sicht ist es gerade ihre mangelnde Integration, die junge Migranten zu gelehrigen Schülern radikaler Islamisten macht.

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