Wenn die da oben richtig einheizt

Timo Leukefeld wirbt für Sonnenwärme – mit wohlgesetzten Worten und mit Puppen

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 7 Min.
Timo Leukefeld – Unternehmer mit Stil
Timo Leukefeld – Unternehmer mit Stil

Schon diese Wörter! Photovoltaik zum Beispiel. Viele Menschen, sagt Timo Leukefeld, »können das wahrscheinlich nicht einmal richtig schreiben«. Keine gute Voraussetzung, um sich für die damit bezeichnete Idee zu erwärmen. Mit Solarthermie verhält es sich nicht viel besser: Auch das sei »ein unmöglicher Begriff«, findet Leukefeld, dessen Freiberger Unternehmen allerdings mit eben dieser Solarthermie sein Geld verdient. In ihren Faltblättern und Broschüren wird das Wort jedoch selten verwendet, seit die Firma dem »Verein Deutsche Sprache« beigetreten ist. Wo immer möglich, ist seither von »Sonnenwärme« die Rede. Eine Wahl mit Folgen: »Sonnenwärme« klingt nicht nach hoher Wissenschaft und komplizierter Technik, sondern nach einem gut geheizten und lichtdurchfluteten Wohnzimmer. Wer verkaufen will, muss seine Worte wohl zu setzen wissen.

Leukefeld will verkaufen, weil er Unternehmer ist; ein bisschen aber, so scheint es, will er auch missionieren und seine Mitmenschen überzeugen – von den Vorzügen der Sonne. Der Begriff »missionieren« sollte dabei nicht falsch verstanden werden. Leukefeld ist kein Sonnenanbeter, auch wenn er mit seinen langen Haaren und der Vorliebe für Mate-Tee, den er aus einem getrockneten Flaschenkürbis trinkt, ein esoterisch angehauchter Naturmensch sein könnte. Ebenso wenig ist er ein Künstler – trotz seines Faibles für die deutsche Sprache und einer Leidenschaft für das Puppenspiel, über die zu reden sein wird. Leukefeld ist »nur« Chef einer Firma, deren Mitarbeiter am Gewinn beteiligt werden und, so sie Frauen sind, wie früher in der DDR einen Haushaltstag bekommen. Vor allem aber ist er Ingenieur. Also hat seine Vorliebe für die Sonne weniger mit Religion oder Kulturgeschichte zu tun als mit Naturwissenschaft und dem Wissen, dass die Sonne eine unerschöpfliche und nur zu einem Bruchteil genutzte Energiequelle ist.

Das zu belegen, genügt dem Ingenieur eine kurze Rechnung: Auf jeden Quadratmeter in seiner sächsischen Heimatstadt strahlt die Sonne mit einer Leistung von 1050 Kilowattstunden im Jahr. 80 Prozent davon könnten zur Wärmegewinnung genutzt werden: »So wirksam ist kein Kühlschrank, kein Auto und auch kein Kraftwerk.« Tatsächlich heizt der Großteil der Sonnenstrahlen in der Stadt aber nur Mauerwerk, Dachschindeln und Fensterscheiben von Häusern. Pure Verschwendung, meint Leukefeld – vor allem, da die Bewohner der Gebäude über hohe Gas- und Ölrechnungen fürs Heizen grollen. Dem Ärger wäre abzuhelfen, wenn sich mehr Menschen an die da oben wendeten: die Sonne. Die liefere schließlich, sagt Leukefeld, »kostenlose Energie« in Massen.

Bei aller nüchternen Wissenschaftlichkeit: Wer Leukefeld über die Sonne reden hört, kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass deren Strahlen nicht nur Licht und Wärme transportieren, sondern auch eine Art Keim, der unmerklich ansteckt. Wäre das so, hätte sich Leukefeld schon während des Studiums infiziert. Der gelernte Instandhaltungsmechaniker, der nach seiner abgeschlossenen Berufsausbildung in der DDR Ingenieur werden sollte, daher nicht für das ersehnte Studium der Archäologie zugelassen wurde und, darüber enttäuscht, zunächst gänzlich auf den Hochschulbesuch verzichtete, hatte sich nach 1989 an der Bergakademie Freiberg für das Fach Umwelttechnik eingeschrieben – und war dabei auf die Solarenergie gestoßen. Die erschien ihm einerseits als »ein Mystikum«, andererseits aber als ein Thema, das den Ehrgeiz des künftigen Ingenieurs weckte.

Tatsächlich war Leukefeld von den Möglichkeiten der damals noch wenig genutzten Sonnenwärme so angetan, dass er dafür sogar den Familienfrieden aufs Spiel setzte. Er traf seine erste unternehmerische Entscheidung und einigte sich mit seinen Eltern darauf, dass diese kein Geld für sein Studium zahlten, dafür aber ihr Haus, das gerade saniert werden sollte, für erste Feldversuche ihres Sohnes in Sachen Solarheizung zur Verfügung stellten. Mutmaßlich gab es Zeiten, in denen sie ihren Wagemut bereuten: Das Haus, sagt Leukefeld, »blieb öfter kalt«.

Heute funktioniert die Sonnenheizung nicht nur bei Familie Leukefeld senior. Noch als Student begann ihr Sohn die Firma »Soli fer« aufzubauen, zu deren Gunsten er zwar zunächst seine Promotion sausen ließ, die sich aber seither einen respektablen Namen in der Branche erworben hat und mit Preisen überhäuft wird. Dabei handelt es sich beileibe nicht um ein Hightech-Unternehmen: Soli fer installiert Sonnenwärme-Anlagen. Die Technik sei »völlig unspektakulär«, sagt der Ingenieur. Bei den im Kern aus ein paar Rohren, schwarzem Blech und einem Kasten bestehenden Sonnenkollektoren gebe es »keinen Forschungsbedarf« mehr. Reserven sieht er aber in den Anlagen, die es erlauben, mit der Sonnenwärme die Stube zu heizen – den Wärmespeichern, Pumpen und Rohrsystemen. Daran tüftelt Leukefeld, der weiter an der Universität lehrt, emsig. Sein Renommee verdankt das Freiberger Unternehmen dabei einem Prinzip, das in einer auf Höchstleistung und Maximalgewinn orientierten Wirtschaft eher unpopulär ist: so einfach und so billig wie möglich. Er wolle, sagt Leukefeld, »ent-technisieren, wo immer es geht«.

Wie er sich das vorstellt, illustriert das bei Soli fer entwickelte »Energetikhaus 100«, ein Wohnhaus, das zu fast 100 Prozent mit Sonnenwärme beheizt wird – und trotzdem bezahlbar ist. Während Architekten und Ingenieure sich in anderen Energiespar-Häusern oft selbst verwirklichen, indem alle verfügbare Technik kombiniert wird, was indes utopische Preise zur Folge hat, setzte Leukefeld zunächst eine Ökonomie-Studentin auf das Vorhaben an. Sie sollte im Rahmen einer Diplomarbeit per Modellrechnung herausfinden, wie optimale Energienutzung und bester Preis in Übereinstimmung zu bringen sind. Das Ergebnis ist ein Haus, das auch Durchschnittsfamilien bezahlen können – und in dem die Bauherren »nie wieder Heizkosten haben«.

Eigentlich, sollte man meinen, müssten in Zeiten explodierender Öl- und Gaspreise solche Häuser ein Renner sein. Das dem noch nicht so ist, schreibt Leukefeld mehreren Gründen zu. Zum einen sei »der Hausbaumarkt im Kriegszustand«. Zum anderen fristet die Sonnenwärme, bildlich gesprochen, noch immer ein Schattendasein – im Gegensatz zum Sonnenstrom, der neben der Windkraft als zukunftsträchtigste der neuen Energien gesehen wird. Leukefeld ist darüber nicht eben glücklich: Der Wirkungsgrad sei wesentlich niedriger, die Anlagen seien viel komplizierter. Die Popularität hat aber Gründe, glaubt Leukefeld: Mit Solarstrom lässt sich viel Geld verdienen, was Banken und Investmentfonds auf den Plan ruft – und in deren Schlepptau Politik und Medien. Sonnenwärme dagegen hilft »nur« dem jeweiligen Betreiber, seine Heizkosten zu senken.

Weil allerdings Leukefeld weiß, dass eine durchschnittliche Familie über 40 Prozent ihrer Energieausgaben für das Heizen aufbringen muss und nur 14 Prozent für Strom, glaubt er an einen schleichenden Sinneswandel – aus schlichten ökonomischen Gründen. Die sind ohnehin ein viel wirksamerer Antrieb für den Abschied von Öl, Gas und Kohle als Appelle an das schlechte Gewissen, sagt der Firmenchef, der gesteht, sich »vom Öko-Aktionismus komplett verabschiedet« zu haben. Er werbe nicht mit Ideologie, sondern mit Wirtschaftlichkeit, sagt er und fügt augenzwinkernd hinzu: »Wir sind gewissermaßen schwarz-grün.«

Rechenexempel indes sind nur ein Mittel, mit dem der Freiberger Unternehmer versucht, die Sonnenwärme von ihrem Aschenputtel-Image zu befreien; eine Mischung aus Originalität und genialem Marketing ist ein weiteres. Schließlich ist Soli fer eines von wenigen Unternehmen in Sachsen, das sich zur Pflege der deutschen Sprache bekennt – was nicht nur bewirkt, das die Kunden die eigens »übersetzten« Betriebsanleitungen für von der Firma eingebaute Anlagen verstehen, sondern quasi nebenbei auch den einen oder anderen Artikel im Feuilleton nach sich zog.

Gleiches gilt für Leukefelds Leidenschaft für das Puppenspiel. Seine Freiberger Firma schaffte es 2007 auf die Kulturseiten, nachdem auf einer Baumesse das von ihr in Auftrag gegebene Puppentheaterstück »Die Botschaft des Lichts« aufgeführt wurde. Dass der Unternehmer indes die Puppen tanzen lässt, liegt an familiären Wurzeln. Sein Großvater war der in der Szene bekannte Puppenspieler Rudolf Trexler, der in Rothenburg ob der Tauber ein legendäres Figurentheater betrieben hatte. Nach seinem Tod begann der Enkel, das Erbe des Künstlers zu erforschen; Ergebnis ist eine umfangreiche Biografie. Das Engagement für Puppentheater und das Faible für gutes Deutsch seien, sagt Leukefeld, heute Teil der »Unternehmenskultur«. Er selbst freilich ist zu sehr Ingenieur und Unternehmer, um Puppenspieler werden zu wollen – und verdient sein Geld weiter, indem er die kostenlose Energie von »da oben« anzapft. Behilflich dürfen ihm die Puppen dabei aber durchaus sein. Bei den Vorträgen, zu denen er oft eingeladen wird, will er bald die einzige noch funktionsfähige Puppe seines Großvaters auftreten lassen – und dafür auf die notorischen Powerpoint-Präsentationen verzichten. Ein löblicher Entschluss – schon dieses unmöglichen Wortes wegen.

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