Keine Friedenstauben im Anflug

Immer neue Beschuldigungen vergiften die Beziehungen zwischen Indien und Pakistan

  • Hilmar König, Delhi
  • Lesedauer: 3 Min.
Einen Monat nach dem Terrorüberfall in der indischen Hafen- und Geschäftsmetropole Mumbai, bei dem über 170 Menschen umgebracht wurden, sorgen Beschuldigungen und Verdächtigungen zwischen Delhi und Islamabad für immer neuen Stoff, die Beziehungen zwischen beiden Nachbarstaaten zu vergiften.

In beiden Hauptstädten scheint Konfusion zu herrschen. Die Politiker überbieten sich mit widersprüchlichen Erklärungen. Indiens Premier Manmohan Singh sagte diese Woche, als Antwort auf den auf pakistanischem Boden vorbereiteten Terrorschlag stehe »Krieg außer Frage«. In Pakistan nahm man das mit gewisser Erleichterung auf.

Premier Singh hatte damit Aussagen seines Außenministers Pranab Mukherjee relativiert, der mit scharfmacherischen Bemerkungen seit Wochen als »Falke« agiert. Vor 116 in Delhi versammelten indischen Botschaftern hatte er kürzlich geäußert, wenn es einen militärischen Konflikt geben sollte, werde das niemand vorher in den Medien ankündigen. »Wir haben alle Optionen offen gelassen«, betonte er. Pakistan solle seine Verpflichtungen erfüllen und effektive Schritte gegen terroristische Gruppen und deren Infrastruktur unternehmen. Leider wiederhole Islamabad frühere Tendenzen, greife zu einer Politik der Verneinung, Ablenkung und des Abschiebens von Schuld und Verantwortung. Der Terrorismus, der von pakistanischem Gebiet ausgehe, nehme eine immer gefährlichere Dimension an und bedrohe Frieden und Sicherheit über die Region hinaus, meinte der Außenminister.

Auf der anderen Seite spielt man mit verteilten Rollen ein ebenso gefährliches Spiel mit dem Feuer. Präsident Asif Ali Zardari erklärte: »Wir wollen keinen Krieg mit Indien.« Zugleich verwies er auf das Recht der Nation, ihre »Grenzen im Falle einer Aggression zu verteidigen«. Auch Premier Jusuf Raza Gilani strebe keinen Konflikt mit Indien an, sondern »exzellente Beziehungen«. Pakistan wolle keinen Krieg, doch wenn ihm ein solcher aufgezwungen werde, wüssten Volk, Führung und Streitkräfte, das Land zu verteidigen.

Etwas deutlicher formulierte Außenminister Shah Mahmud Qureshi, wenn Indien pakistanische Ziele angreifen sollte, werde es eine »starke Antwort« geben. Armeechef Ashfaq Parvez Kayani nahm jetzt im Gespräch mit Präsident Zardari gar kein Blatt vor den Mund: Die Streitkräfte seien gegen jede Eventualität gewappnet und die Soldaten bereit, »sich für das Vaterland zu opfern«. Pakistan werde im Fall eines indischen Angriffs in wenigen Minuten mit gleicher Münze reagieren.

Die Nationalversammlung, das pakistanische Parlament, verabschiedete Mitte der Woche eine Resolution, in der Indien aufgefordert wird, seine »feindselige Propaganda« einzustellen. Sie warnt den Nachbarn vor Luftangriffen auf ausgewählte Ziele und verlangt, Delhi solle seine »Terrornetzwerke« demontieren.

Am Heiligabend waren im pakistanischen Lahore bei der Explosion einer Autobombe eine Frau getötet und mehrere Personen verletzt worden. Umgehend nahm die Polizei vier Inder als Tatverdächtige fest. Inzwischen jedoch bekannte sich die pakistanische Taliban-Gruppe »Ansar wa Mohajir« in einem Anruf aus dem Stammesgebiet Nordwasiristan zu dem Anschlag.

Islamabad lehnt bislang ab, den einzigen überlebenden Terroristen der Mumbai-Tragödie, Ajmal Amir Kasab Iman, als pakistanischen Staatsbürger zu akzeptieren. Das müsse Indien erst beweisen. Diese Woche wurde dem pakistanischen Botschafter in Delhi ein Brief des Terroristen übergeben, in dem er Islamabad um konsularische und legale Assistenz bittet, da ihm kein indischer Rechtsanwalt Beistand leisten will. Iman erklärt in dem Brief, dass er und seine neun getöteten Komplizen Pakistaner seien. Nicht nur in Indien wartet man nun gespannt auf die Reaktion von der anderen Seite. Ein erstes negatives Anzeichen könnte die Mitteilung der Behörden sein, Iman sei nicht in der Computer-Datenbank Pakistans erfasst.

Bislang monierten Regierung und Medien, dass die indische Polizei noch keinerlei Beweise für eine pakistanische Hand hinter dem Mumbai-Anschlag veröffentlichte. Auch Interpol-Chef Ronald Noble, der in diesen Tagen in Delhi und Islamabad weilte, erklärte, er habe von indischer Seite offiziell noch keine Beweise zu den Vorgängen vom 26. November in Mumbai erhalten. Seine Organisation verfüge nur über Wissen aus den Medien. Ein Ende des Spiels mit dem Feuer ist indessen nicht abzusehen.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal