Wo der Haussegen schief hängt

Immobilienmarkt: Der Motor der britischen Wirtschaft macht schlapp

  • Lesedauer: 3 Min.
Von Anna van Ommen, London

Die Kreditkrise hat sich mit rasanter Geschwindigkeit auf den Immobiliensektor in Großbritannien ausgewirkt. Angesichts fallender Hauspreise und ausbleibender Neukredite bangen immer mehr Briten um ihre Zukunft.

Wie sagt man so schön im Englischen? »My home is my castle« (das Eigenheim als eine feste Burg). Das könnte sich ändern. Denn die aktuelle Wirtschaftskrise trifft britische Eigenheimbesitzer besonders schwer. Jüngsten Umfragen zufolge haben Immobilien dort im Jahr 2008 einen Wertverlust von nahezu 16 Prozent verbucht. Der sonst so aktive Immobilienmarkt liegt brach. Einige Beobachter erwarten, dass die Preise gegenüber ihrem Rekordstand von 2007 bis 2011/12 um bis zu 50 Prozent fallen werden.

Dabei war jahrelang alles gut gegangen. Angesichts stetig steigender Preise galten Eigenheime traditionell als sichere Investition. Hypotheken waren einfach zu haben, sogar ohne Eigenkapital. So erklärt sich, dass mehr als zwei Drittel der Briten in den eigenen vier Wänden wohnen. In Deutschland sind es rund 42 Prozent, in der Schweiz 35 Prozent.

Der Immobilienpreisverfall übertrifft den Crash der frühen 1990er und sogar den der 1930er Jahre. Dass sich der vorherige Aufwärtstrend nicht ewig halten kann, war den meisten bewusst. Doch Fionnuala Earley, Wirtschaftsexpertin der Nationwide Bank, räumt ein: »Wir haben den rasanten Verfall der Hauspreise und die Ausmaße der internationalen und nationalen wirtschaftlichen Krise nicht vorausgesehen.«

Ausgelöst wurde die Misere von Banken, die ihren Kunden den Geldhahn zudrehten. Aufgrund der internationalen Finanzkrise scheuten sich die Kreditinstitute vor allem Neueinsteigern im Immobilienmarkt Kredite zu gewähren. Das Resultat sind mangelnde Nachfrage und damit sinkende Preise. Im Vergleich zum Vorjahr wechselten 60 Prozent weniger Immobilien ihren Besitzer. Gleichzeitig steigt aber die Zahl an angebotenen Eigenheimen, da mehr und mehr Briten ihre Jobs verlieren.

Viele Engländer haben ihr Heim jahrelang quasi als Bankautomat genutzt. Ein Haus, das vor zehn Jahren für 150 000 Pfund (163 000 Euro) gekauft wurde, war vor zwei Jahren etwa das Doppelte wert. Diese Sicherheit ermöglichte vielen, sich mehr Geld von ihrer Bank zu leihen. Inzwischen schulden viele Eigenheimbesitzer der Bank mehr, als ihr Haus heute wert ist. Zwischen 2000 und 2008 liehen sich die Briten auf diese Weise 300 Milliarden Pfund – für Haussanierungen, das neue Auto oder einen Urlaub in der Karibik. Der Wohlstand auf Pump hielt die Wirtschaft in Schwung.

Doch damit ist jetzt Schluss. Pessimisten gehen davon aus, dass sich der Preisverfall weiter fortsetzen wird. Schließlich sind die Banken trotz milliardenschwerer Finanzspritzen seitens der Regierung und drastischer Leitzinssenkungen nur bedingt bereit, ihre Kassen zu öffnen. Daher fordern Finanzexperten weitere Eingriffe des Staates. So schlägt der ehemalige Chef der HBOS-Bank, Sir James Crosby, vor, Staatswertpapiere im Wert von 100 Milliarden Pfund zu veräußern. Mit dem Erlös könnten neue Hypotheken finanziert werden. Ed Stansfield vom Beratungsunternehmen Capital Economics hat jedoch Zweifel an der Wirksamkeit solcher Maßnahmen. Angesichts der schwachen Konjunktur und schlechten Arbeitsmarktsituation scheuen die Banken schlicht das Risiko.

Als der Immobilienmarkt noch boomte, war dies für den damaligen Schatzkanzler Gordon Brown ein Grund, nicht den Euro zu übernehmen. Inzwischen purzelt der Wert des Pfunds der EU-Währung entgegen. Die wirtschaftliche Situation rüttelt heftig am Fundament der britischen Gesellschaft.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal