nd-aktuell.de / 16.01.2009 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 11

Weniger Fleisch fürs gute Klima

17. Kritischer Agrarbericht zeigt Schattenseiten der Landwirtschaft auf

Susanne Götze
Der Kritische Agrarbericht verleiht der Grünen Woche jedes Jahr einen bitteren Beigeschmack. Die Herausgeber des diesjährigen Berichtes fordern eine radikale Wende in der Agrarpolitik und kritisieren die hohen Klimagas-emissionen der Landwirtschaft.

Parallel zu den Eröffnungszeremonien der größten »Fressmeile« Deutschlands – der Grünen Woche – wird alljährlich der Kritische Agrarbericht des Agrarbündnisses vorgestellt. Die Stimmen aus Öko-Branche, Tierschutzvereinen und Umweltverbänden sind noch in der Minderheit. Denn die Verbraucher, Unternehmer und Politiker sind auf der Messe, um die Errungenschaften der Landwirtschaft zu feiern und sich auserlesene Spezialitäten aus der ganzen Welt auf der Zunge zergehen zu lassen. In dieser Situation wirkt es etwas hilflos, wenn Benedikt Haerlin von der Zukunftsstiftung Landwirtschaft auf den neuen »Rekord« von 963 Millionen Hungernden in der Welt hinweist, den die FAO im Dezember verkündete. »Es ist genug für alle da: Das Problem ist nicht die zu geringe Produktion, sondern die Verteilung und die Art und Weise zu produzieren«, so Haerlin.

Das Agrarbündnis nutzt die Schlemmer-Messe seit 17 Jahren, um auf die Schattenseiten der Landwirtschaft hinzuweisen. In ihrem diesjährigen Agrarbericht gehen die Autoren darauf ein, welche verheerenden Wirkungen die industrielle Landwirtschaft auf den Klimawandel hat. Als klimagas- intensivster Zweig steht dabei die Tierhaltung im Fadenkreuz der Kritik. Werden Dünge- und Pflanzenschutzmittelproduktion mit einbezogen macht der Beitrag der Landwirtschaft am weltweiten Klimagasausstoß laut Bericht derzeit zwischen 17 bis 32 Prozent aus. Auch bei der deutschen Agrarwirtschaft gehen die Zahlen auseinander: Hier schätzt man den Anteil der Emissionen auf bis zu 13 Prozent am gesamten Klimagasausstoß Deutschlands.

Dabei geht es keineswegs nur um CO2, sondern auch um die hoch klimaschädlichen Gase Methan und Stickstoff. »Das Problem an der Viehhaltung ist außerdem der hohe Futtermittelverbrauch«, erklärte Agrarberichtmitherausgeberin Heidrun Betz vom Deutschen Tierschutzbund. Allein ein Drittel der weltweiten Getreideernte werde für die Verfütterung an Tiere verbraucht. »Sie müssen einem Rind 16 Kilogramm Futter geben, damit es ein Kilogramm an Fleisch zunimmt«, fasste Betz zusammen. Für die nächsten Jahrzehnte werde zudem ein enormer Zuwachs des weltweiten Fleischkonsums erwartet.

»Die industrielle Landwirtschaft ist nicht nur Opfer, sondern vor allem auch Täter beim Thema Klimawandel«, unterstrich auch Hubert Weiger, Vorsitzender des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND). Als zentrales Klimaproblem bei der Tierhaltung sieht Weiger die Futtermittelimporte. »Die Futtermittel kommen größtenteils aus Südamerika – dort wird wertvoller Wald für neue Äcker gerodet«, kritisierte Weiger. Eine Lösung sieht er in der ökologischen Tierhaltung. Dennoch sind auch bei der Bio-Tierhaltung die Emissionen relativ hoch. Einziger Ausweg, so die Experten einstimmig, sei, den Fleischkonsum deutlich zu verringern.

»Wir können nicht so weitermachen wie bisher«, appellierte Benedikt Haerlin. Das betreffe sowohl die Tierhaltung als auch die Verwendung von Chemie und fossilen Brennstoffen in der Landwirtschaft. Grundlage dieser Forderungen und auch einiger Beiträge des Kritischen Agrarberichtes ist der im letzten April erschienene Weltagrarbericht, der von über 400 internationalen Wissenschaftlern erstellt wurde. Die deutsche Regierung hat den Bericht aber bis heute nicht unterschrieben und somit nicht anerkannt.