Ein Knast mit privater Beteiligung

Ob Gericht Chemnitz oder Gefängnis Burg: Im Justizbereich gibt es immer mehr ÖPP-Projekte

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 3 Min.
In Zeiten leerer Kassen bedient sich der Staat immer öfter privater Unternehmen, um öffentliche Einrichtungen zu bauen und zu betreiben. Der Trend macht auch vor der Justiz nicht halt – wo das besonders heikel ist.

Da soll keiner rauskommen – nicht einmal mit dem Hubschrauber: Die Justizvollzugsanstalt (JVA), die im Mai im sachsen-anhaltischen Burg eröffnet wird, ist mit einem Stahlnetz über den Höfen gesichert.

Zu hoffen ist, dass auch bei den Verträgen für den JVA-Neubau ein Sicherheitsnetz eingezogen wurde. Das neue Gefängnis wird in Form einer öffentlich-privaten Partnerschaft (ÖPP) errichtet – ein Modell, das in Deutschland bislang nur bei den Knästen in Hünfeld (Hessen) und Offenburg (Baden-Württemberg) praktiziert wurde und das Kritiker für tückisch halten. Es gebe »erhebliche Risiken für die öffentliche Hand«, sagt Robert Kösling, Sachverständiger für öffentliche Infrastruktur, der unter anderem die Gewerkschaft ver.di berät.

ÖPP heißt: Das Gefängnis Burg wird nicht nur von einem privaten Konsortium unter Beteiligung des Baukonzerns Bilfinger und Berger errichtet, sondern teilweise auch betrieben. Verpflegung und Reinigung, aber auch die ärztliche Betreuung und Resozialisierung obliegen dem privaten Partner. Nur die »hoheitlichen Aufgaben«, also die Arbeit mit den Gefangenen, erfolgt durch Landesbedienstete.

Die Privatwirtschaft übernimmt auch andernorts Teile des Justizapparats. In Chemnitz wird heute das Justizzentrum Kaßberg eingeweiht, in dem Staatsanwaltschaft und Amtsgericht sitzen. Auch hier handelt es sich um ein ÖPP-Projekt – das bundesweit zweite nach einem Justizzentrum in Wiesbaden. Die private Betreibergesellschaft soll Wachtmeisterdienste versehen; die Mitarbeiter besetzen aber auch die Poststelle und transportieren sowie archivieren Akten.

Das ist durchaus heikel – schließlich handelt es sich um sehr sensible Unterlagen. Bislang seien solche Aufgaben in den hoheitlichen Bereich des Staates gefallen, sagt Kösling, der aber eine »Erosion« beobachtet: Immer mehr Aufgaben würden Privaten übertragen. Auch in Knästen sei der direkte Kontakt mit Gefangenen – der gegebenenfalls den Einsatz körperlicher Gewalt nötig mache – noch Beamten vorbehalten. Dieses Monopol werde womöglich ausgehöhlt. Anton Bachl, Vorsitzender des Bundes der Strafvollzugsbeamten, spricht denn auch von einem »Irrweg«.

Die Gründe dafür sind finanzieller Natur: Das Land Sachsen-Anhalt rechnet bei der JVA, deren Betrieb über 25 Jahre hinweg 512 Millionen Euro kostet, mit Ersparnissen von zwölf Prozent; Sachsen hofft, beim 74 Millionen Euro teuren Justizzentrum um 14,3 Prozent billiger zu kommen, als wenn die Einrichtung in eigener Regie betreiben würde. Von Kritikern werden solche Zahlen angezweifelt. Vergleiche fehlen bislang – oder fallen nicht zu Gunsten von ÖPP aus, sagt Kösling: Die JVA Hünfeld sei teurer als die staatliche JVA Darmstadt; auch würden Qualitätsversprechen nicht eingehalten. Gegen solch unliebsame Entwicklungen will man sich zwar im Fall Burg durch ein »Bonus-Malus-System« absichern, sagt Justizministerin Angela Kolb (SPD). Ob man damit aber gegen alle Tücken gefeit ist, bleibt unklar: Für die Öffentlichkeit sind die ÖPP-Verträge trotz ihrer langfristigen Wirkung in aller Regel streng geheim.

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