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Schonungslose Qual

»Extremities« begeistert in der Brotfabrik

  • Anouk Meyer
  • Lesedauer: 2 Min.

Der Albtraum schlechthin für jede Frau: In der eigenen Wohnung plötzlich einem Wildfremden gegenüber zu stehen, der eindeutig keine guten Absichten hegt. So ergeht es Marjorie in dem Theaterstück »Extremities«. Ein Mann kommt plötzlich in ihr Wohnzimmer, behauptet, einen gewissen Joe zu suchen, und schlendert frech herum. Immer panischer versucht sie, ihn loszuwerden – doch der Fremde weigert sich zu gehen, wird immer anzüglicher und fällt schließlich über die wehrlose Frau her. Doch die dreht den Spieß um.

1982 schrieb der US-Amerikaner William Mastrosimone dieses harte, schonungslose Stück, vier Jahre später wurde es mit Farah Fawcett in der Hauptrolle verfilmt. Nun inszeniert Regisseurin Ruth Pichler es in der Brotfabrik und im Theaterforum Kreuzberg – und demonstriert damit die ganze Wucht des Theaters im Gegensatz zum Bildschirm: Erst auf der Bühne, nur wenige Meter von den Zuschauern entfernt, entfaltet das Stück seine volle Wirkung. Man kann sie förmlich riechen, die panische Angst der in die Enge getriebenen Marjorie, die ungezügelte Gier von Raul. Man spürt den Spaß, den er an seinem Katz-und-Maus-Spiel hat, seine Genugtuung, wenn er die hübsche Frau überwältigt, sie schlägt und demütigt.

Doch Marjorie schafft es, ihm Farbe in die Augen zu sprühen, schlägt ihn mit einem Golfschläger nieder, fesselt ihn und sperrt ihn im Kamin ein. Statt die Polizei zu rufen, will sie es dem Sadisten mit gleicher Münze heimzahlen. Als ihre zwei Mitbewohnerinnen heimkommen, sind diese entsetzt, zumal Raul deutliche Spuren des Kampfes trägt, Marjorie aber unverletzt ist. Raul spielt die Frauen geschickt gegeneinander aus, stellt sich als Opfer dar und heizt die hoch gereizte Stimmung immer mehr auf. Brutal, schonungslos, ja quälend ist fast jede Minute der zweistündigen Aufführung, lediglich die allzu langen Diskussionen der drei Frauen hätte man kürzen können.

Überhaupt sind die Szenen zu zweit bei weitem die stärksten. Saskia Rutner und Mario Pokatzky spielen derart ungekünstelt und intensiv, dass man alles um sich herum vergisst. Eine Meisterleistung! Leider wirken die Mitbewohnerinnen Terry (Laura Levin) und Patricia (Dafne-Maria Fiedler) dagegen arg schablonenhaft und plakativ. Die Frage, ob eine (versuchte) Vergewaltigung Selbstjustiz rechtfertigt, kann – und will – das Stück nicht beantworten. Statt dessen zeigt es sehr geschickt gesellschaftliche und psychologische Mechanismen wie Neid, Konkurrenzdenken und Mangel an weiblicher Solidarität auf. Und ebenso, dass Selbstjustiz keine Genugtuung bringt.

22./24./25.1., 20 Uhr, Theaterforum Kreuzberg, Eisenbahnstr. 21

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