»Emmely« muss weiter hoffen

Berufungsentscheidung im Fall der fristlosen Kündigung der Kaiser's-Kassiererin fällt Ende Februar

  • Haidy Damm
  • Lesedauer: 4 Min.
Es war kalt am gestrigen Morgen. Vor dem Berliner Landesarbeitsgericht am Magdeburger Platz hatten sich rund 60 Unterstützer der Kassiererin Barbara E. – besser bekannt unter dem Namen Emmely – versammelt.

Vor einem Jahr war der 50-Jährigen gekündigt worden. Fristlos, auf Verdacht. Die Kassiererin, die 31 Jahre bei Kaiser's gearbeitet hat, soll Pfandbons im Wert von 1,30 Euro, die nicht ihr gehörten, an der Kasse eingelöst haben. Im August 2008 folgte der Prozess. Barbara E. verlor. Das Gericht sah einen dringenden Verdacht, dass sich alles so zugetragen haben könnte, wie der Arbeitgeber es darstellt. Die Kassiererin ging in Berufung.

Barbara E. ist der Überzeugung, dass ihr Arbeitgeber sie loswerden wollte. Nicht, weil sie unzuverlässig, sondern weil sie aufmüpfig war. Sie hatte sich in der Vergangenheit mehrmals beim Chef über zu große Arbeitsbelastung beschwert. Außerdem hatte »Emmely« an den Streiks im Einzelhandel Ende 2007 teilgenommen. Wegen dieser Streiks gab es zwischen ihr und der Distriktmanagerin Gespräche, die nicht freundlich verliefen. Ihre Kolleginnen, die anfangs mitgestreikt hatten, sprangen nach und nach ab – nach Gesprächen mit der Geschäftsleitung. Barbara E. nicht.

Im Gerichtssaal mit Applaus empfangen

Weil sie auf ihrem Recht beharrt und weiterhin alle Vorwürfe bestreitet, musste sie gestern erneut den Gang zum Gericht antreten. Als sie den voll besetzten Saal betritt, empfängt sie Applaus. Rund 100 Zuschauer sind gekommen, viele Unterstützer, aber auch viele Mitarbeiter von Kaiser's. Nicht alle bekommen einen Sitzplatz, die Stimmung ist angespannt.

Richterin Daniele Reber ist sichtlich angestrengt. Mehrmals in den nächsten zweieinhalb Stunden ermahnt sie das Publikum, Ruhe zu bewahren und droht mit Saalräumung. Dazu kommt es aber nicht. Die Richterin lässt eine neue Beweisaufnahme zu. Eine ehemalige Kollegin von Barbara E. wird erneut gehört. Sie sei froh darüber, wird Barbara E. später sagen, denn die Richterin habe immerhin selber Fragen gestellt, ganz im Gegensatz zum Richter in erster Instanz.

Die Zeugin – sichtlich ungehalten darüber, dass sie erneut aussagen soll – hatte die Pfandbons über 48 Cent und 82 Cent vor einem Jahr entgegengenommen. Jetzt geht es darum, warum sie ihre Kollegin nicht gleich selbst darauf angesprochen hatte, dass die Bons nicht abgezeichnet waren. Und warum sie sofort den Verdacht hatte, dass es sich bei diesen Bons um die zehn Tage zuvor gefundenen handelte. Richtig klären lässt sich das auch an diesem Vormittag nicht, denn schlüssige Antworten darauf gibt es nicht. Der Verteidiger von Barbara E., Benedict Hopmann schließt mit den Worten: »Die Zeugin hat sich wiederholt widersprüchlich geäußert, sie ist nicht glaubwürdig.«

Warten auf den Sieg der Gerechtigkeit

Um Glaubwürdigkeit geht es auch der Anwältin von Kaiser's, Karin Schindler-Abbes. Sie beschuldigt Barbara E., sich immer wieder zu verstricken und murmelt etwas von immer neuen Verschwörungstheorien. Als sei es völlig aus der Luft gegriffen, dass »Emmely« dem Arbeitgeber unliebsam geworden sein könnte. Schindler-Abbes sieht sich durch Urteile des Bundesarbeitsgerichtes auf der sicheren Seite, das Vertrauensverhältnis sei allein durch den Verdacht nachhaltig beschädigt.

Die Verdachtskündigung ist eine hoch umstrittene Form der Kündigung, weil sie eben nur auf einem Verdacht gründet. Dabei besteht immer die Gefahr, dass der betroffene Arbeitnehmer zu Unrecht verdächtigt wird. Der zweite Verteidiger von Barbara E. prangert genau das an. Die Unschuldsvermutung sei außer Kraft gesetzt, der Verdacht bleibe ewig an der Kassiererin hängen, unabhängig davon, ob er bewiesen wurde oder nicht, so Reinhold Niemerg. Angesichts dessen, dass Barbara E. 31 Jahre lang zuverlässig für den Betrieb gearbeitet habe, wäre ein Abmahnung der richtige Schritt gewesen.

1,30 Euro gegen 31 Jahre Beschäftigung? In dem bisherigen Urteil sei genau diese Frage nicht ausreichend gewürdigt worden. Zudem seien die Chancen, in ihrem Alter und mit diesem Verdacht wieder eine Stelle zu bekommen, äußerst unwahrscheinlich, auch die Zukunft der Kassiererin stehe auf dem Spiel.

Gegen Ende der Verhandlung schlägt Richterin Rebers erneut einen Vergleich vor. Barbara E. soll einer ordentlichen Kündigung zustimmen. Doch die lehnt ab. »Emmely« bleibt dabei: Die Vorwürfe sind unberechtigt. Die Entscheidung ist nun für den 24. Februar angekündigt. So lange muss Barbara E. warten. Warten und hoffen, »dass die Gerechtigkeit siegt«.

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