Franzosen setzen sich zur Wehr

Nationaler Aktionstag / Konjunkturprogramm auch für Werktätige und Arbeitslose gefordert

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 2 Min.
Der Nationale Aktionstag für die Sicherung der Arbeitsplätze, die Aufbesserung der Kaufkraft der Beschäftigten und die Verteidigung des Öffentlichen Dienstes hat am Donnerstag mindestens eine Million Franzosen mobilisiert. Dazu hatten erstmals seit Jahren alle acht großen Gewerkschaften gemeinsam aufgerufen.

Der Aktionstag richtete sich gegen die einseitige Unterstützung von Banken und Industrie durch das staatliche Konjunkturprogramm. Gefordert wurde, auch den Werktätigen und Arbeitslosen mit drastischen Staatsausgaben zu helfen.

Gestreikt wurde nicht nur bei den öffentlichen Diensten, sondern auch in zahlreichen Branchen der Privatwirtschaft, wo die Furcht vor Massenentlassungen und Firmenverlagerungen ins Ausland umgeht. Trotz der sich immer stärker ausbreitenden Unzufriedenheit mit der wirtschaftlichen und sozialen Lage im Land haben viele Beschäftigte letztlich doch auf die Beteiligung am Ausstand verzichtet, weil die Lohneinbuße durch einen nicht bezahlten Streiktag angesichts der Krise zu schwer wiegt.

In Südwestfrankreich wurde einer Empfehlung der Gewerkschaften folgend generell nicht gestreikt, weil hier die Aufräumungsarbeiten nach dem verheerenden Wirbelsturm vom vergangenen Wochenende anhalten und 300 000 Menschen noch immer ohne Strom und Telefon sind. Viele der hier Arbeitenden hatten sich aber zum Zeichen der Solidarität symbolisch ein Schild »Streik« an die Kleidung gesteckt. Entsprechend den Gesetzen über »Minimaldienst«, die auf Initiative von Präsident Nicolas Sarkozy in den zurückliegenden zwei Jahren verabschiedet wurden, mussten die Schulen und Kindergärten zumindest die Betreuung der Kinder organisieren, deren Lehrer streikten, und die öffentlichen Transportunternehmen mussten einen Teil des Verkehrs sicherstellen, vor allem zu den Berufsverkehrszeiten. In 46 Städten des Landes war der öffentliche Personennahverkehr mehr oder weniger stark durch Streiks beeinträchtigt. Im Fernverkehr fielen sieben von zehn interregionalen Zügen aus und von den TGV-Hochgeschwindigkeitszügen verkehrten etwa 60 Prozent.

Einer Meldung des Ministeriums für Öffentliche Dienste zufolge hat landesweit ein Viertel aller Beamten und Staatsangestellten gestreikt. Das traf so tatsächlich auf die Post, France Telecom oder das Energieunternehmen EDF zu, doch in den öffentlichen Krankenhäusern streikten mehr als 50 Prozent des Personals und in den Schulen blieben nach Angaben der Gewerkschaften 67 Prozent der Lehrer dem Unterricht fern.

In mehr als 200 Städten des Landes fanden Demonstrationen statt, zu denen die Gewerkschaften aufgerufen hatten, die aber ausdrücklich keine Politiker an der Spitze der Demonstrationszüge haben wollten, um dem Vorwurf der »politischen Vereinnahmung« vorzubeugen. Darum hat die Sozialistische Partei in Paris mit einer Delegation am Straßenrand die Demonstrierenden gegrüßt, während die Kommunistische Partei ihre Mitglieder aufgerufen hatte, individuell mitzudemonstrieren. Schon die ersten Demonstrationszüge am Vormittag waren sehr eindrucksvoll. In Marseille gingen 100 000 Menschen auf der Straße und in Lyon waren es etwa ebenso viele und damit weit mehr als erwartet. In Bordeaux und in Clermont-Ferrant demonstrierten jeweils etwa 60 000 Menschen und in Le Havre 10 000. Die wohl größte Demonstration hatte bei Redaktionsschluss in Paris begonnen.

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