Blauäugigkeit, Fake oder Betrug?

Flensburger Unternehmen MS 11 Energy insolvent vor Betriebsbeginn

  • Dieter Hanisch, Flensburg
  • Lesedauer: 3 Min.
Bei der Ansiedlung neuer Betriebe glänzen die Augen regionaler Wirtschaftsförderer. Ein 2008 in Flensburg gegründetes Unternehmen mit dem Namen MS 11 Energy hat jetzt jedoch Insolvenz angemeldet, noch ehe die Arbeit überhaupt gestartet wurde.

Der vermeintliche Akku-Produzent hatte im vergangenen Mai angekündigt, mit der Herstellung von Brennstoffzellen 5000 Arbeitsplätze an der deutsch-dänischen Grenze schaffen zu wollen. Jetzt entpuppt sich die Geschäftsidee als geplatzte Seifenblase. Andere sprechen von Betrug, weil sie so viel Naivität für kaum denkbar halten. Jetzt ermittelt auch die Staatsanwaltschaft.

Die Firma hatte im Spätherbst 2008 knapp 100 Mitarbeitern ei-nen Anstellungsvertrag gegeben, sie aber mit dem Argument nach Hause geschickt, die Produktion würde noch nicht anlaufen, da Investoren aus Österreich und den USA ihre Finanzmittel noch nicht freigegeben hätten. Als für November und Dezember die Gehälter ausblieben, der Belegschaft mitgeteilt wurde, die Arbeitsverträge ruhten vorübergehend und seit Jahresbeginn Kündigungen ins Haus flatterten, erstatteten Betroffene Anzeige.

Zur Vorstellung der Firma war vor zehn Monaten eigens Staatssekretärin Karin Wiedemann aus dem Kieler Wirtschaftsministerium angereist. Dort hatte man wohl ein schlechtes Gewissen, denn die Schließung der Logistiksparte des Handyherstellers Motorola zum Jahresende 2007 kostete 700 Arbeitsplätze in Flensburg. Über Jahre hatte der Weltkonzern öffentliche Zuschüsse von mehreren Millionen Euro kassiert. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) hatte persönlich um den Erhalt der Jobs gekämpft, doch die Führungsspitze der US-Firmenzentrale zeigte ihm die kalte Schulter.

Bei der Wirtschaftsförderungsgesellschaft des Landes hatte MS 11 Energy vor Monaten angekündigt, Motorola beerben zu wollen. Dort war noch von einem saudischen Scheich als Geldgeber die Rede. Zu mehr als einem Erstkontakt kam es aber nicht. In den letzten Wochen gab das Gebaren der Firma weitere Rätsel auf. In unmittelbarer Nähe des früheren Motorola Areals, wo man nach eigenem Bekunden die Produktion aufnehmen wollte, wurden Hallen angemietet, doch kein Firmenschild montiert. Zu keinem Zeitpunkt gab es Firmenfahrzeuge. Auch der Hinweis bei der Gewerbeanmeldung, dass neben der Produktion und dem Vertrieb von Batterien die Herstellung und der Vertrieb von Kuchen und Konditorwaren zum Betätigungsfeld gehören sollten, mutete merkwürdig an.

Von anfangs sechs Gesellschaftern blieben zwei übrig. »Einer dieser beiden scheint spurlos verschwunden zu sein«, weiß der bestellte Insolvenzverwalter Kay Hässler. Der andere arbeite ihm auch »kaum zielführend« zu, so Hässler. Er geht davon aus, dass in der Firma »nicht mehr viel, wenn nicht gar nichts« zu holen sei. Inzwischen haben sich nicht ausgezahlte Lohnkosten auf rund eine Million Euro summiert. Auch Sozialversicherungsbeiträge wurden offenbar nicht abgeführt.

Harald Haase, Sprecher im Kieler Wirtschaftsministerium, ist froh, dass kein Cent an MS 11 Energy geflossen ist. Die Wirtschaftsförderungsagentur Wireg für Flensburg/Schleswig war immer skeptischer geworden. Die Arbeitsagentur zeigt sich kooperativ, verhängt keine Sperrzeiten.

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