Letzter Ausweg Verstaatlichung

Verluste britischer Banken übersteigen schlimmste Befürchtungen

  • Axel Reiserer, London
  • Lesedauer: 3 Min.
Die hohen Verluste der Lloyds Banking Group könnten eine neue Welle der Verstaatlichung britischer Banken auslösen. Dabei gehen die Verluste auf einen Zusammenschluss zurück, der vom Staat erzwungen worden war.

Neue Milliardenverluste einer der führenden Banken des Landes könnten die britische Regierung nun zur Verstaatlichung des Sektors zwingen. Nachdem die Lloyds Banking Group einen Verlust von mehr als zehn Milliarden Pfund (elf Milliarden Euro) im Vorjahr melden musste, schloss Schatzkanzler Alistair Darling eine Übernahme nicht mehr aus. »Wir glauben, dass Banken am besten durch den Privatsektor betrieben werden können, unter angemessener Aufsicht«, sagte Darling am Samstag am Rande des Treffens der G7-Finanzminister.

Hinter der nicht gerade vertrauensbildenden Aussage steht die wachsende Einsicht, dass die bisherigen Maßnahmen trotz Milliardenvolumens gescheitert sind. Auf direkte Intervention von Premier Gordon Brown war im September 2008 zwei Tage nach der Lehman-Pleite der Zusammenschluss der (gesunden) Lloyds/TSB-Bank mit der HBOS-Gruppe durchgepeitscht worden – gegen geltende Wettbewerbsregeln. Damit sollte der drohende Zusammenbruch der größten britischen Hypothekenbank abgewendet werden. Der Staat übernahm 43 Prozent an der neugegründeten Lloyds Banking Group.

Die nun bekannt gewordenen Verluste liegen aber deutlich über den schlimmsten Befürchtungen. Die Lloyds-Aktie verlor bereits am Freitag 32 Prozent ihres Werts. Die im September in die Bank gepumpten 17 Milliarden Pfund an Steuergeldern sind damit nur noch 4,6 Milliarden wert. Der konservative Finanzsprecher Ken Clarke höhnt: »Die beiden Institute hätten nie zusammengelegt werden dürfen.«

Tatsächlich räumt man bei Lloyds ein, dass »nicht mit der üblichen Sorgfalt vorgegangen werden konnte«. Ähnlich sieht es Schatzkanzler Darling: »Wir hatten keine Zeit, wochen- und monatelang durch die Bücher zu gehen. Wir mussten schnell handeln, um das Schlimmste zu verhindern.«

Das scheint aber erst bevorzustehen. Statt eine Bank zu retten, stehen nun zwei vor dem Abgrund. Lloyds allein, auch das geht aus den Zahlen hervor, machte im vergangenen Jahr einen Gewinn von 2,4 Milliarden Pfund. Der Mühlstein HBOS aber zieht die Bank mit sich in die Tiefe – und die restlichen Banken mit: Die Londoner Börse schloss am Freitag tief in den roten Zahlen, nachdem auch die anderen Finanztitel verloren. Am schwersten getroffen war wieder die Royal Bank of Scotland (minus 9,3 Prozent), die bereits zu 70 Prozent in Staatsbesitz ist.

Die Zwangsvereinigung Lloyds- HBOS hatte die Regierung seinerzeit aus politischen Gründen durchgepeitscht. HBOS ist die größte Bank auf dem sensiblen Hypothekensektor. Obwohl die Spekulationsblase der letzten zehn Jahre geplatzt ist und hunderttausende Menschen vor dem Verlust ihres Hauses stehen, verharrt das Land in der Illusion des »My house is my castle«-Denkens. Gesprochen wird nun von einer Umwandlung der Staatsanteile an der Lloyds-Gruppe von stimmrechtslosen Vorzugs- in Stammaktien, womit eine Mehrheit an der Bank in die Hand des Steuerzahlers käme. Der Finanzsprecher der Liberaldemokraten, Vince Cable, der sich seit September als Stimme der Vernunft im Land profilierte, sieht in einer schrittweisen Verstaatlichung den »letzten verbleibenden Ausweg«.

Für den einst boomenden britischen Finanzsektor, der den Triumph des Liberalismus symbolisierte, dem sich die Politik nur zu gerne anschloss, wäre das das endgültige Aus. Vor zwei Jahren rief Brown in einer Rede vor Bankern noch den »Beginn eines Goldenen Zeitalters« aus. Heute sind mit Ausnahme der ebenfalls bedrohten Barclays Bank und HSBC – die nicht der britischen Aufsicht unter- und daher wohl etwas besser dasteht – die führenden Banken des Landes mehrheitlich staatlich oder auf dem Weg dorthin.

Angesichts dessen ist der jüngste Aufschrei über Bonuszahlungen bei aller berechtigten Kritik an den Spitzenmanagern nur eine populistische Scheindebatte. Der Wunsch des »Sunday Mirror«, »wir wollen wieder graue und langweilige Banker zurück«, dürfte sich bald bewahrheiten. Ob Ministerialbeamte aber globale Bankengruppen führen können, muss sich erst erweisen. Werden die Banken aber auf das Niveau nationaler Sparkassen zurückgeführt, wäre die globalisierte Wirtschaft am Ende.

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